• Paar

    Die Sache mit der Zahnpasta

    Ich habe diese Sache mit der Zahnpasta nie verstanden. Es soll ja Paare geben, die sich deswegen getrennt haben. Weil die Frau die Tube nie gemäß der Tubenentleerungsordnung entleerte. Oder der Mann immer vergaß, hinterher den Deckel auf die Zahnpasta zu schrauben, wodurch die oberen Zahnpastazentimeter verklebten und der Frau als vertrocknete Wurst auf ihrer Bürste landeten. Was die Frau als Analogie auf ihr verkümmertes Sexleben verstand und die Scheidung einreichte. Worte wie „nie“ und „immer“ sind ja grundsätzlich der Anfang vom Ende. Weil man sich von seinem Partner so wenig gesehen und respektiert fühlt, dass all die unerfüllten Bedürfnisse gebündelt auf eine arglose Zahnpasta losgelassen werden. Bisher konnte ich…

  • Allgemein,  Paar

    Chipsflixen

    Friedolin möchte mich schlachten. Anders kann ich mir nicht erklären, warum er mein Gewicht mit Chips und Vanilleeis in die Höhe treibt. Vielleicht hat er im Darknet irgendeinen Kannibalen-Club aufgetan und hofft, mit seiner dicken Frau noch ein paar Euros dazu zu verdienen. Seit Corona suchen ja alle Künstler verzweifelt nach neuen Geschäftsideen. Und ich falle jeden Abend drauf herein. Wir haben gesund zu Abend gegessen mit Gartenkräuter-Tee, Bio-Vollkornbrot und Rohkost, die Kinder schlafen, Friedolin und ich brechen erschöpft auf dem Sofa zusammen und nach einer Weile lässt er ganz beiläufig diesen perfiden Satz fallen: „Irgendwie hab ich noch Hunger…“ Und bevor ich „Einspruch“ brüllen kann, ist er schon aus…

  • Corona-Chronik,  Kinder

    Die Event-Beerdigung

    Wir überlegen, wen wir umbringen sollen, damit unsere Tochter in zwei Wochen ihren 7. Geburtstag feiern kann. Beerdigungen sind ja wieder erlaubt. Unser Huhn Miss Granger ist vor ein paar Tagen gestorben, vielleicht können wir das im kleinen Kreis mit den Nachbarskindern an ihrem Geburtstag beerdigen. Dafür müssten wir es allerdings erstmal exhumieren. Hinterher natürlich gut Händewaschen und zweimal Happy Birthday singen. Am Geburtstag macht das ja endlich mal Sinn. Oder wir spendieren allen eingeladenen Kindern einen neuen Haarschnitt, die Frisöre sind ja wieder geöffnet. Oder Friedolin und ich vollziehen eine Blitzscheidung und heiraten wieder an ihrem Geburtstag. Vorzugsweise jemand anderen. Nach sieben Wochen Quarantäne können wir ein bisschen Abwechslung…

  • Backstage

    Ungeschminkt

    „Ich hab dich im Fernsehen erst gar nicht erkannt“, sagt meine Nachbarin. Sie hat mich in der Anstalt gesehen. „Ich mich auch nicht“, sage ich und verschränke meine Arme vor der Brust. Ich habe wieder mal keinen BH an und fühle mich nicht nach Konversation. Ich bin müde, sehe auch so aus und wollte eigentlich nur kurz die Mülltonnen reinholen. Eigentlich wäre aus mir ein guter Promi geworden. Ich sehe geschminkt komplett anders aus als privat. Meine Wimpern und Augenbrauen sind nahezu farblos. Die haben den Verdunklungsprozess meiner restlichen Haare leider nicht mitgemacht. Wobei privat ja nicht bei allen Frauen ungeschminkt bedeutet. Mich faszinieren Frauen, die samstags auf dem Weg…

  • Kinder

    Mama vs. Switch

    Wir stehen unter Zugzwang. Die Nachbarskinder haben eine Nintendo Switch bekommen. Da kann das Museum der toten Tiere unserer Kinder irgendwie nicht mithalten. Jetzt haben sie erstmal keine Zeit mehr zum Versteckspielen. „Du willst lieber mit einem Computer spielen als mit mir?“, fragt die Sechsjährige fassungslos. Ihr Freund nickt:„Die Switch ist ja auch neu.“„Verstehe ich trotzdem nicht.“„Du bist ja nur neidisch, weil deine Mama dir sowas nicht erlaubt“, sagt er. Sie kaut unglücklich auf ihrer Unterlippe rum.„Wir sind halt eine Naturfamilie“, sage ich beschwichtigend. Eigentlich finde ich es gut, wenn die Kinder so etwas unter sich klären. Aber unsere Tochter ist kurz vorm Weinen.„Ist doch toll, dass ihr unterschiedlich seid.…

  • Gesellschaft,  Kinder

    Küssen verboten!

    „Jungs küssen nicht“, pöbelt der Vater seinen dreijährigen Sohn an, der gerade seinem Freund einen Schmatzer auf die Wange drückt. Der Vater schaut hilflos in die Runde: „Das hat er gestern auch schon gemacht. Hör endlich auf damit“, schreit er und reißt den Jungen von seinem Freund weg. Der Junge guckt beschämt zu Boden. Die Umstehenden ignorieren den Vorfall gleichgültig oder peinlich berührt. Man könnte meinen, der Vater wolle seinen Sohn vor Corona schützen. Doch die Szene spielte sich beim letzten Nikolaus-Fest im Feuerwehrhaus ab. Zum Glück war unser Vierjähriger so damit beschäftigt, seinem Schoko-Nikolaus den Kopf abzubeißen, dass er nichts davon mitbekam. Er ist ein leidenschaftlicher Küsser. Ohne die…

  • Kinder

    Du Pastinakenvogel!

    „Du dumme, dumme Kuh“, brüllt der Vierjährige aus der Küchentür und wirft sie mit Karacho ins Schloss. Wir wollen die Schimpfwörter loswerden und schicken sie in den Garten. Seit die Elfjährige im Haus ist, nehmen die Beschimpfungen überhand. Im Garten sind sie besser aufgehoben. Den Hühnern und dem Molch ist es schließlich egal, wenn ihnen „Stinkfurz“ (der Vierjährige) oder „du kleiner Pisser“ (die Elfjährige) um die Ohren fliegen. Nur die Siebenjährige hält sich vornehm zurück. Sie hat es nicht so mit Schimpfwörtern. Ihr Wortschatz ist immens, aber mit Kraftausdrücken ist sie seltsam hilflos. Einmal standen wir mit den Kindern am Seeufer und probierten das Echo aus. Ihr etwas älterer Freund…

  • unser Dorf

    Radfahrer unerwünscht

    Der Dorfbewohner geht eher 9 km besoffen zu Fuß, als dass er Fahrrad fährt. Sagen zumindest die Dorfbewohner. Nüchtern fährt er natürlich mit dem Auto. Wobei nüchtern ein denkbar dehnbarer Begriff ist. Zufußgehen und Fahrradfahren sind hier keine Fortbewegungsmittel sondern Hobbys, die niemand ins Freundebuch schreibt. Was das angeht, sind Friedolin und ich noch immer Großstädter. In der Stadt hatten wir jahrelang gar kein Auto. Wozu auch, wenn man für die Parkplatzsuche länger braucht, als für die eigentliche Fahrt. Als wir aufs Dorf zogen, haben wir uns geschworen, weiterhin alles mit dem Fahrrad zu machen. Bis ich das erste Mal mit unserer Tochter im Hänger zu unserem 4 km entfernten…

  • Paar

    Friedolin, mein Friedolin

    Friedolin kommt in dieser Kolumne nicht immer gut weg. Könnte man meinen. Er erscheint als hilfloses Fluchtwesen. Sagt man. Friedolin hat sich diesbezüglich noch nicht geäußert. Das könnte daran liegen, dass er die Kolumne nicht liest. Was vielleicht daran liegt, dass er nicht besonders gut weg kommt. Er überfliegt sie höchstens, um ein passendes Foto auszuwählen. Es könnte aber auch daran liegen, dass er selbstbewusst und offen mit seinen Schwächen umgeht. Weil er weiß, dass er noch so viel mehr zu bieten hat. Der Friedolin aus Buchstaben ist natürlich nicht deckungsgleich mit dem Friedolin aus Fleisch und Blut. Der Friedolin in den Texten ist nur eine seiner Facetten, ist der…

  • Frühling

    Die Göttin und der Holunder

    „Guten Tag, Frau Holla“, sagt der Vierjährige und vergräbt seine kleine Nase andächtig in der duftenden Holunderblüte. Dann lauscht er einen Moment auf die unhörbare Antwort. Die Sechsjährige streichelt sanft über die Blüten und schnuppert an ihren zartgelben Fingern. In alten Zeiten war es üblich, sich zur Blütezeit vor dem Hausholunder zu verneigen oder den Hut zu ziehen. Er galt als heiliger Baum, als Hausapotheke der Bauern, spendete Schutz und Nahrung. Die Urgöttin Holla, Hullefrau, Hel – oder wie wir sie heute kennen – Frau Holle hatte ihren Wohnsitz im Hollerbusch. Seine Wurzeln reichten tief in ihr unterirdisches, lichtdurchflutetes Reich. Schwangere Frauen umarmten den Busch, weil sie glaubten, die Göttin…