• unser Dorf

    Er fiel im frühen Morgenrot

    Zwischen Gelächter und Tränen liegt ein schmaler Grat. Dabei hatte der Tag so gut angefangen.Die Kinder waren vorfreudig durch die verschneite Feldmark zum See gelaufen. Wir zogen die Packschlitten mit den Schlittschuhen, Decken, Tee und Butterbroten hinter uns her und freuten uns über die Wintersonne und die klare Luft. Ein Pferdeschlitten überholte uns, das Pony stieß kräftige Dampfwolken aus seinen Nüstern und der Fünfjährige sagte: „Jetzt atmen wir das Pony ein.“ Die Kinder malten sich aus, wie sie heute noch schneller über das Eis sausen würden.Dann hörten wir die Kettensägen.Und das Krachen fallender Bäume.Und als wir in den Weg zu unserem Pacht-Grundstück einbogen, sahen wir den Berg aus Stämmen und…

  • unser Dorf,  Winter

    Trecker im Schnee

    Wir Niedersachsen kennen uns mit Schnee ja nicht so gut aus. Wenn es mal ordentlich schneit, was höchstens alle 20 Jahre vorkommt, geht nichts mehr. Busse und Bahnen stehen still, die wenigen Räumfahrzeuge kommen gegen den Schnee nicht an und irgendwer von der Stadtverwaltung hat mal wieder vergessen, das Streugut nachzubestellen. Was für ein Glück, wenn man dann einen Nachbarn mit Trecker hat. Ich meine, wir müssen zwar gerade ohnehin nirgendwo hin, aber für die Kinder war der Schneesturmtag besser als jeder Besuch im Freizeitpark.Als sie gestern morgen zum Schneedienst antraten, um die Zufahrt unserer bettlägerigen Hofmitbewohnerin für den Pflegedienst freizuschippen, war unser sehr toller Nachbar schon mit seinem Trecker…

  • Nachhaltigkeit,  unser Dorf

    „Alle großen Bäume gefällt“

    Wir brauchen dringend Regen. Wieder so ein Satz, den ich früher in der Stadt nie gesagt hätte. Da bedeutete Regen, dass ich nicht Fahrrad fahren konnte und mit der U-Bahn dauerte alles doppelt so lang. In der Stadt hab ich Sätze gesagt wie: „Hast du das neue Stück von René Pollesch gesehen?“ Aber seit ich auf dem Dorf wohne, bin ich so weit, dass ich René Pollesch für eine alte Apfelsorte halte. Also, es fehlt Niederschlag. Wir sitzen hier schon wieder seit Wochen auf dem Trockenen und meine Beete bekommen Risse wie meine Schienbeine im Winter. Die Kinder finden das natürlich spitze. Bei anhaltenden Hochdruckgebieten dürfen sie die Gärten und…

  • Sommer,  unser Dorf

    Das Paradies dichte bi

    Abtauchen, das Wasser rauscht an meinen Ohren vorbei, für einen Moment in der Tiefe schweben, in einem Fächer aus Sonnenstrahlen, Stille. Zarte Schwanenfedern treiben wie Miniatursegel über mich hinweg, Wasserläufer balancieren mit gespreizten Gliedern an der Oberfläche. Auftauchen, atmen, auf dem Rücken treiben und in die Wolken schauen. Der Milan zieht seine Kreise über mir, unter mir liegt der lange Wels tief am kiesigen Grund. Manchmal kann ich ihn denken hören, dunkel und grün. Neben mir gleitet die Siebenjährige durchs Wasser. Sie ist ein Wassermädchen und schwimmt seit sie Vier ist wie eine Robbe durch den See. Der Fünfjährige keschert in Ufernähe Teichmuscheln und beobachtet Libellen. Unser See ist kein…

  • Paar,  unser Dorf

    Von Dorfmännchen und Drogerien

    Die Finanzkrise ist da. Also unsere ganz persönliche. Das weiß ich auch ohne Kontoauszug. Du weißt, dass die Finanzkrise da ist, wenn dein Ehemann Schnappatmung kriegt, weil du beim Rossmann-Einkauf den 10% Gutschein vergessen hast. Jetzt haben wir 6 Euro zum Fenster rausgeschmissen. Und das in Zeiten wie diesen. Nein, falsch! Ich, ICH habe 6 Euro zum Fenster raus geschmissen. Friedolin würde so was nie passieren. Er würde die Kinder im Rossmann vergessen, aber nicht den 10% Gutschein. In der Großstadt haben wir solche Gutscheine nie bekommen. Hier auf dem Land stecken die manchmal im Briefkasten. Weil gerade der männliche Dorfbewohner den Sinn von Drogerien nicht versteht und mit Gutscheinen…

  • Corona-Chronik,  unser Dorf

    Das alternative Osterfeuer

    Heute hat es im Dorf gebrannt. Ganz zur Freude unserer Kinder. Der alte Herr H. hatte mit dem Unkrautflämmer seine Lebensbaumhecke in Brand gesetzt. Da es in diesem Jahr wegen Corona kein Osterfeuer gibt, waren wir Herrn H. sehr dankbar, dass er die Dinge selbst in die Hand genommen hat. Friedolin überlegt auch, wie wir unseren ganzen Grünschnitt loswerden sollen. Kein Osterfeuer, das Kompostwerk hat zu und die Nachbarn mit dem Schredder sind in Quarantäne. Vielleicht sollten wir uns den Unkrautflämmer vom alten Herrn H. ausleihen.Als die ganze Straße unter Qualm stand, kamen die Nachbarn mit Wassereimern angerannt und löschten den Brand. Es dauerte ein bisschen länger, weil sie bemüht…

  • Nachhaltigkeit,  unser Dorf

    Mein Mann, der Messie

    Wir sind die Müllkippe des Dorfes. Mittlerweile hat sich rumgesprochen, dass man alles bei uns abladen kann. Alte Fenster, Balken, Fässer, kaputte Türen, Kameras, Kinderbetten… wozu haben wir denn den alten Stall? Was uns nicht gebracht wird, klaubt Friedolin vom Sperrmüll oder vom Flohmarkt. Manchmal mache ich mir Sorgen, dass er Messie-Tendenzen entwickelt. Man kann unser Nebengebäude kaum noch betreten. Wobei ich den Stall ohnehin nicht betrete. Dort hausen Spinnen, groß wie Suppenteller. Immerhin halten sie uns die Ratten vom Leib. Vielleicht behauptet Friedolin das aber auch nur, damit er im Stall seine Ruhe vor mir hat. Doch jedes Mal, wenn ich mit ihm schimpfe, weil er wieder eine Wagenladung…

  • unser Dorf

    Radfahrer unerwünscht

    Der Dorfbewohner geht eher 9 km besoffen zu Fuß, als dass er Fahrrad fährt. Sagen zumindest die Dorfbewohner. Nüchtern fährt er natürlich mit dem Auto. Wobei nüchtern ein denkbar dehnbarer Begriff ist. Zufußgehen und Fahrradfahren sind hier keine Fortbewegungsmittel sondern Hobbys, die niemand ins Freundebuch schreibt. Was das angeht, sind Friedolin und ich noch immer Großstädter. In der Stadt hatten wir jahrelang gar kein Auto. Wozu auch, wenn man für die Parkplatzsuche länger braucht, als für die eigentliche Fahrt. Als wir aufs Dorf zogen, haben wir uns geschworen, weiterhin alles mit dem Fahrrad zu machen. Bis ich das erste Mal mit unserer Tochter im Hänger zu unserem 4 km entfernten…

  • unser Dorf

    Mein Nachbar, der Feuerwehrmann

    Die Feuerwehrsirene reißt mich aus dem Schlaf. Ich höre die Kinder in ihren Betten rumoren. Der Morgen dämmert in der Ferne. Wie immer, wenn alle zuhause sind, atme ich kurz auf. In den seltensten Fällen ertönt die Sirene auf dem Dach des Feuerwehrhauses, weil es brennt. Häufig sind es schwere Unfälle auf der Bundesstraße, zu denen unsere Feuerwehr ausrücken muss. Die Bundesstraße ist unsere Verbindung zur Außenwelt, zur Schule, zum Kindergarten, zum Supermarkt, zu unseren Familien in der Stadt. Meistens ist es aber einfach Samstag, 12 Uhr und die Funktionsfähigkeit der Sirene wird getestet. Das mussten wir als Zugezogene erst lernen. Anfangs dachte ich noch: Komisch, dass hier immer am…