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Putin fluten

Der Sechsjährige hat ein neues Lieblingsspiel. Es heißt „Putin fluten“. Dazu baut er Landschaften im Sandkasten, die aus lauter Mooren, bröckeligen Steilkanten und trockenen Flussbetten bestehen. Dann verteilt er Schilder mit der Aufschrift:
„Für Bösewichte garantiert ungefährlich!“
Das liest sein Playmobil-Putin und denkt sich: „Na, dann kann ich da ja wohl spazieren gehen…“
Und versinkt prompt bis zum Hals im Moor. Oder fällt von der Steilkante. Oder wird von einer Flutwelle aus der Schwengelpumpe weggespült.
„Und, zack, ist der Krieg zu Ende“, sagt der Sechsjährige und strahlt.
Mein sonst so sanftmütiger Sohn, der jede Feuerwanze vor unachtsamen Schritten rettet und dem selbst Disneyfilmen zu aufregend sind, wird durch den Krieg zum Playmobil-Attentäter. Ein Teil von mir möchte ihm zurufen: „Bau doch lieber eine Sandburg. So wie früher.“ Aber natürlich ist nichts wie früher.
Ich weiß gar nicht, seit wann er weiß, wer Putin ist. Als der Krieg begann, überhörten die Kinder eines unserer Erwachsenengespräche und fragten: „Wer ist Putin?“
Und Friedolin sagte: „Den kennt ihr nicht. Der fährt nicht mit dem Schulbus.“
Wir wollten sie noch eine Weile in Unschuld wiegen. Wir hofften, dass dieser wahnsinnige und unmögliche Krieg vorbei wäre, bevor er richtig begonnen hätte.
Dann konnten sie dem Thema Krieg nicht mehr entkommen. Und wollten ihre Ersparnisse spenden. Und ihre Lieblingsjacken. Und ihre Spielsachen. Aber es reicht nicht, um die Ohnmacht aufzuhalten.
Unsere Kinder haben alles, was sie brauchen. Sicherheit. Nahrung. Liebe. Ein Zuhause. Vielen Menschen in der Ukraine ist all das genommen worden. Bis auf die Liebe, hoffe ich. Und den Mut.
Der Sechsjährige wird also weiterhin seinen Playmobil-Putin von der Klippe schubsen. Oder durch ein Flussbett fluten. Aus Sicht der Kinder gibt es auch für die großen Konflikte ganz einfache Lösungen. Dagegen ist die Weltsicht der Erwachsenen nur allzu oft aus Beton gegossen. Und der lässt sich nicht so einfach fort spülen.