• Gesellschaft

    Staub der Geschichte

    Wir spielen heute das Staubwisch-Spiel. Dazu verstecke ich schöne Knöpfe im Wohnzimmer an besonders staubigen Stellen und die Kinder machen sich mit Staubtüchern bewaffnet auf, um die Knöpfe zu finden. Manchmal ist auch ein Euro im Zimmer versteckt, an Stellen, die eigentlich immer vergessen werden. Die Kinder finden dieses Spiel ganz wunderbar. Und ich spare mir das Staubwischen. Die Idee dazu habe ich aus einem Buch, „Die Mädchenfamilie“ von Sydney Taylor. Ich habe dieses Buch als Kind geliebt und bestimmt 20 Mal gelesen. Es handelt von dem Leben der jüdischen Familie Pfäffling in New York um 1912. Wegen dieses Buches wollte ich als Kind zum Judentum konvertieren. Die Beschreibungen der…

  • Allgemein

    Absage an die Ansprüche

    Ganz ehrlich: ich will das nicht mehr. Ich arbeite seit drei Wochen wieder und der Ferien-Energie-Speicher ist komplett aufgebraucht. Ich bin abends zu müde zum Einschlafen. Ich bin morgens zu müde zum Aufstehen. Und nein, es ist keine Winterdepression. Es ist dieser Lockdown. Ich will nicht mehr morgens aufstehen und nicht wissen, wie ich alle Aufgaben zwischen Arbeit und Kindern und Haus und Hof überhaupt auch nur annähernd erledigen soll.Vielleicht sind meine Ansprüche trotz Krise immer noch zu hoch. Vielleicht sollte es mir nicht so wichtig sein, ob meine siebenjährige Tochter die Matheaufgaben versteht. Schließlich bin ich nicht ihre Lehrerin sondern ihre Mutter. Vielleicht sollte ich mir nicht so viele…

  • Kinder

    Das Kind liest uns die Haare vom Kopf

    Einst hatte ich gehofft, dass unsere Kinder Bücher genauso lieben werden wie ich. Jetzt versuche ich, die Siebenjährige vom Lesen abzuhalten. Klar, es ist Lockdown und nasskaltes Winterwetter, außerdem hat sie wegen eines blockierten Rollerrads wieder ihren Fuß kaputt und humpelt an Krücken, aber dennoch finde ich 220 Seiten pro Tag viel für ein siebenjähriges Kind. Wo soll das noch hinführen? Sind wir dann nächstes Jahr bei „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“? Zum Glück haben wir eine belesene Nachbarsfamilie, die uns ein Corona-Care-Paket mit Büchern vor die Tür gestellt hat. Aber das ist auch schon wieder halb aufgelesen. Wir haben natürlich auch zu Hause meterweise Kinder- und Jugendbücher,…

  • Gesellschaft

    CD – Ruhe in Frieden!

    Ich habe etwas hoffnungslos anachronistisches getan: ich habe eine CD verschenkt. Eine neu gekaufte CD, die ich nicht bei Amazon bestellt hatte. An eine Freundin, von der ich weiß, dass sie noch einen CD-Player besitzt. Was ja heutzutage keine Selbstverständlichkeit mehr ist. Immer häufiger hören Friedolin und ich nach Auftritten – also, haben wir nach Aufritten gehört, damals, als es noch Live-Auftritte vor Publikum gab, die Älteren werden sich erinnern – also immer häufiger hören wir: „Ich würde ja sehr gern eine CD von euch kaufen, aber ich habe keinen CD-Player mehr. Seid ihr auf Spotify?“ Ja, sind wir, kommt man als Künstler ja kaum drum rum. Damit verdienen wir…

  • Kinder

    Die Pofeige

    Die Kinder haben ein neues Lockdown-Spiel entwickelt. Es heißt: Papa beobachten. Dazu verstecken sie sich hinter offen stehenden Türen, unter Tisch, Stuhl oder Treppe und beobachten mit übermenschlicher Geduld das Treiben ihres Vaters. Nur um dann, wenn er sich scheinbar in Sicherheit wiegt, urplötzlich aus ihrem Versteck hervor zu springen und ihm eine „Pofeige“ zu verpassen. Was im Übrigen eine Wortkreation der Siebenjährigen ist und wie ich finde verdient hätte, in den Duden aufgenommen zu werden. Alternativ klauen sie ihm einen Hausschuh und verstecken ihn irgendwo in den Tiefen unseres Hauses. Sie haben so viel Freude bei diesem Spiel, dass immer häufiger der Satz fällt: „Keine Zeit, wir spielen gerade…

  • Corona-Chronik,  Gesellschaft

    Die erdrückende Freiheit

    Soll ich oder soll ich nicht? Soll ich die Siebenjährige bis Mitte Februar von der Schule abmelden oder soll ich sie wechseltägig hinschicken? Die Niedersächsische Landesregierung hat uns Grundschul-Eltern diese Entscheidung überlassen. Unserem Kultusminister Grant H. Tonne zufolge wüssten Eltern am besten, was ihren Kindern guttue. Aber ich muss ganz ehrlich sagen: bei allen Freiheitseinschränkungen, mit denen wir seit März zu kämpfen haben, auf diese Freiheit hätte ich gern verzichtet. Diese Entscheidungsfindung macht mich einfach nur wahnsinnig müde. Sind wir Eltern alle plötzlich über Nacht zu Hobby-Virologen geworden und können ernsthaft einschätzen, ob der Schulbesuch unserer Kinder fahrlässig oder vertretbar ist?Ob unsere beruflichen oder privaten Gründe für den Schulbesuch schwerer…

  • Kinder

    Die magische Standleitung

    Wir haben jetzt eine Wahrsagerin im Haus. Sie ist zwar erst Sieben, hat dank ihrer magischen Kristallkugel aber eine Standleitung zur tiefen Weisheit des Universums. Behauptet sie zumindest. Hoffentlich ist die Leitung aus Glasfaser, alles andere funktioniert hier auf dem Dorf nämlich nur bedingt.Die Siebenjährige hatte bei unserem täglichen Rundgang durch das Dorf hinter dem Altglascontainer eine 70er-Jahre-Lampenkugel aus Strukturglas entdeckt und sich direkt verliebt. Also brachen wir unseren Spaziergang ab und trugen den kostbaren Fund nach Hause. Ich glaube ja, dieses Finden und Wertschätzen von Straßenrand-Treibgut liegt in den Genen direkt neben der Haarfarbe, die Siebenjährige ist dabei ebenso findig wie ihr Vater und Großvater. Zuhause baute sie die…

  • Corona-Chronik

    Ausschlafen

    8,5 Stunden Schlaf braucht der Mensch. Und nicht 7,5 wie bisher angenommen. Zumindest, wenn man den Forschungsergebnissen verschiedener Schlafstudien glaubt, die das Schlafverhalten ihrer Probanden zwischen April 2019 und 2020 verglichen hatten. Die Probanden hatten ihren Nachtschlaf im Lockdown ohne feste Termine und Zeitdruck nach und nach auf 8,5 Stunden verlängert. War für mich jetzt keine Überraschung. Ich brauche sogar eher 9 Stunden. Dann starte ich wirklich entspannt und glücklich in den Tag. Denn diese luxuriöse neunte Stunde ist für mich die Zeit des erinnerten Träumens, vor allem im Halbschlaf in den späten Morgenstunden sind es wunderbare Träume, die mich warm und wohlig aufwachen lassen. Meistens bekomme ich aber höchstens…

  • Corona-Chronik

    Kinder im Lockdown

    „Warum werde ich eigentlich nie zum Geburtstag eingeladen?“, fragt der Fünfjährige beim Abendessen.„Du bist doch schon auf ganz vielen Geburtstagen gewesen“, sage ich, doch er schiebt nur missmutig das Brot auf seinem Teller hin und her. Dann fällt mir ein: seine letzte Geburtstagsfeier liegt dank Corona über ein Jahr zurück.Als ich ihn an Weihnachten fragte, ob er traurig darüber sei, dass wir die Großeltern nun doch nicht sehen können, sagte er leise: „Ach, die sehen wir doch eh nicht mehr.“Vor ein paar Tagen trafen wir eine Familie zufällig im Wald, unsere Kinder waren früher gut miteinander befreundet gewesen, aber sie sind seit Corona sehr zurück gezogen. Die Kinder der Familie…

  • unser Garten

    Vogelfrühstück

    Friedolin hat den Amseln ihr Frühstück weggefuttert. Der Fünfjährige und ich hatten heute früh mühsam Nüsse geknackt, gepult und klein geschnitten, mit Haferflocken, Sonnenblumenkernen und Rosinen vermischt und in einer kleinen Schüssel auf der Anrichte in der Küche stehen lassen, weil wir nach dem Regen das Vogelhaus damit bestücken wollten. Als ich kurze Zeit später in die Küche komme, ist mein verschlafener Mann gerade fertig mit seinem späten Frühstück und sagt:„Das war aber mal ein reichhaltiges Müsli heute.“„Was denn für ein Müsli? Wir essen doch nie Müsli?“, sage ich leicht verwirrt. Bei uns gibt eigentlich nur Haferflockenbrei mit Obst.„Na, das in der Schale auf der Anrichte.“„Das war Vogelfutter!“„Ich hab mich…