Corona-Chronik

Ach, was war das für ein schöner, schöner Tag gestern. Ich bin auf kleinen, watteweißen Wölkchen durch die Stunden geschwebt, beflügelt von euren liebevollen, mutmachenden Worten, Kommentaren und Nachrichten. Noch heute umhüllen sie mich wie ein leuchtender Kokon gegen die Unbill dieser verrückten Zeit. Normalerweise bin ich nicht gut darin, für mich allein etwas einzufordern. Aber vielleicht sollte ich das häufiger tun, wenn das Ergebnis so wundervoll ist. Den Sekt konnte ich mir direkt sparen, weil ich ganz angetrunken vor Glückseligkeit war und sonst auch nach dem Mittagessen schnarchend auf unser Sofa gekippt wäre.
Die Siebenjährige und ich saßen vormittags einträchtig in der Küche und stießen mit unseren erfolgreich erbeuteten Croissants und Quittengelee an (HubbaBubba war aus) und ich las ihr die schönsten Nachrichten vor, bis sie mir das Geburtstagsbild überreichte und sagte: „Das freut mich für dich Mama, aber ich muss jetzt wirklich Schule machen.“ Wenn sie das nächste Mal keine Lust auf Homeschooling hat, sollte ich sie einfach vollquatschen anstatt zu ermahnen, das scheint besser zu funktionieren. Ohne die Männer war es seltsam friedlich im Haus. Wir hocken so viel zu Viert aufeinander, dass es eine richtige Wohltat ist, wenn sich das familiäre Gefüge wenigstens für ein paar Stunden auflöst. Dann führte unser Hermelin zur Feier des Tages ein Tänzchen vor der Küchentür auf und wir stellten mit Entzücken fest, dass er sein Winterkleid schon abgelegt hat. Der Frühling naht. Vor wenigen Tagen war er noch schneeweiß, jetzt ist er schon Milchkaffee-farben. Die Hühner waren wenig begeistert und sprangen gackernd auseinander. Sie trauen dem winzigen Alleinunterhalter nicht über den Weg. Bisher hat er nur Mäuse und Amseln zur Strecke gebracht, aber es scheint ihm Spaß zu machen, die Ladies in Aufruhr zu versetzen.
Gestern erschien mir unser kleines Dorf wie ein Schlüsselloch in die weite Welt. Eure Nachrichten kamen aus ganz Deutschland, aus der Schweiz, sogar aus Frankreich. Als sich dann auch noch ein Möwenschwarm über unseren Garten verirrte und mich an Kiel denken ließ, wo immer Möwen anstelle von Stadttauben auf den Dächern sitzen, wurde ich ganz melancholisch vor Fernweh. Manchmal bin ich etwas einsam hier im Dorf, auch wenn wir wirklich die allerliebsten Nachbarn haben, die man sich nur wünschen kann. Aber meine langjährigen Herzensfreunde leben weit übers Land verstreut. Die Menschen, mit denen ich ganz ich selbst sein kann. Unter denen ich nicht die zugezogene Großstadt-Künstlerin bin, die irgendwie alles immer ein bisschen anders macht und denkt. Mit denen ich nicht in erster Linie die Mama bin. Vielleicht sollten wir uns alle auf Mallorca treffen. Plön, Dithmarschen oder Lübeck wären zwar näher, klimafreundlicher zu erreichen und haben auch alle eine Inzidenz unter 10, aber da dürfen die Hotels ja nicht aufmachen. Bevor ich jetzt zynisch werde, höre ich lieber auf und sage noch einmal mit erfülltem Herzen: Danke.

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