Winter

Adventmorgen

Im Advent hält jeder Morgen ein kleines Wunder bereit. Die Kinder sitzen meist schon hellwach und aufgeregt flüsternd in ihren Betten, wenn ich in tiefer Dunkelheit verschlafen in ihr Zimmer komme. Sie rätseln, welche Überraschung heute in ihren Adventskalendern auf sie wartet. Dann springen sie fröhlich aus den Betten und machen sich auf die Suche nach unserem frechen Weihnachtself. Den „Elf on the Shelf“ haben wir von unserer Nachbarin geschenkt bekommen. Er wandert jede Nacht durch unser Haus und stellt allerlei Unsinn an. Mal sitzt er am Morgen auf dem Nikolausteller der Kinder mit einer Salzbrezel in der Hand, mal ist er das Treppengeländer runter gerutscht und hat dabei einen Tannenzweig abgerissen, einmal hat er sogar den Badezimmerspiegel mit Wichtelbildern voll gemalt. Die Kinder lachen sich jedes Mal kaputt, wenn sie ihn entdecken. Und für einen kurzen Moment glaube ich dann selbst an die Magie des kleinen Kobolds. Die Tradition kommt aus Amerika: Der Elf beobachtet, ob die Kinder brav sind und fliegt nachts zum Nordpol, um dem Weihnachtsmann zu berichten. Unser Elf macht zum Glück selbst so viel Unfug, dass er seine Spionagetätigkeit an den Nagel gehängt hat, weil unsere Kinder neben ihm wie die artigsten Engel wirken.
Als nächstes huschen die Kinder zum Adventskalender. Eigentlich möchte die Siebenjährige ohne ihren kleinen Bruder aufstehen. Sie ist eine Lerche und immer als erste wach und hat mich dann mal ganz für sich allein. Aber nicht im Advent. Dann weckt sie ihn freiwillig, weil sie unbedingt dabei sein will, wenn er seinen Adventskalender öffnet.
„Sonst sehe ich doch gar nicht, wie er sich freut“, sagt sie. Dann laufen wir durch das erwachende Dorf zum Schulbus und freuen uns über die glitzernde Weihnachtsbeleuchtung der Nachbarn. Die Herrnhuter Sterne erleuchten die alten Bauernhäuser, Lichterketten in allen Formen und Farben schmücken die Tannen, in einem Garten funkelt ein Rentierschlitten, im nächsten blinken blaue Eiszapfen unter der Regenrinne. Wir müssen früh losgehen, weil der Fünfjährige an jedem Gartentor stehen bleibt und sagt:
„Mama, ist das nicht zauberhaft?“ Zauberhaft ist sein neues Lieblingswort, was mich besonders freut, da es auch das Lieblingswort seiner Urgroßmutter war. Dann warten wir am großen Weihnachtsbaum des kleinen Dorfplatzes (der zwar eigentlich nur der Parkplatz vor der Mehrzweckhalle ist, aber Dorfplatz klingt so viel pittoresker) auf den Bus. Alle Kinder des Dorfes haben Weihnachtsschmuck gebastelt, mit Wünschen versehen und an den Baum gehängt. Viele wünschen sich vom Weihnachtsmann, dass Corona endlich vorbei ist. Aber solange der Advent so viel Magie für uns bereit hält, fühlen wir uns von seinem Zauber beschützt und geborgen.

Ein Kommentar

  • Ana

    Achja, schön, dass wieder ein paar Geschichten von euch zu lesen sind.
    Wie oft erkenne ich die Situationen wieder: die große Schwester, die ausnahmsweise die kleine weckt um gemeinsam den Adventskalender aufzumachen…. Die Lichter der Nachbarn, die bewundert werden…. Und zu guter letzt diese Sache mit der Gasheizung… 🙈
    Unsere Dachfenster sind so zugig (oder ist es generell das ungedämmte Dach?), ich schlafe mittlerweile mit Stirnband und Halstuch und bin froh, dass wir so viele Woll Sachen haben, insbesondere fürs Baby. Und wenn ich bei der Teenager Tochter im Zimmer bin, drehe verstohlen ihre Heizung runter und hoffe, dass sie es nicht merkt und bringe lieber abends noch ein warmes Kornkissen ins Bett.
    Und warm Duschen? Sowieso völlig überbewertet, Haare waschen geht auch im Sommer und sowieso, auf den Klos haben wir eh nur Kaltwasser. Vielleicht wird die Sammelwut meines Tischler Mannes uns dann mal zu Gute kommen, wenn wir anfangen, Holzreste zu verbrennen. Wird Zeit, dass wir einen Ofen bekommen – insgeheim bewundern ich auch vielmehr die Nachbarn um ihr schönes Kaminfeuer hinter dem dreifach isolierten Panoramafenster und den Solarpanels auf dem Dach als um ihre Lichterketten.
    Aber wenn man zuhause nur genug Kerzen anzündet, wirds ja auch warm… Im Herzen.
    Wenn da nicht die geizige Teenager Tochter kommt, und Angst hat, dass die teuren Bienenwachs Kerzen zu schnell abbrennen und rigoros darüber wacht, dass keine Kerze zu lang brennt (müssen ja noch bis Weihnachten halten….).

    Wünsche euch eine zauberhafte Weihnachtszeit…. Und eine schöne Wintersonnenwende! Ab da wird es wieder heller… 🕯

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