Neues Licht
Wir baden in der gleißenden Wintersonne. Die von Raureif überzogenen Felder glitzern wie ein Meer aus Kristall. Die Kinder schlittern jubelnd über zugefrorene Pfützen und lauschen dem Knirschen ihrer Schritte auf dem vereisten Gras. Sie werfen Hände voll fein verharschten Schnees in die Luft und umhüllen sich mit dem funkelnden Niederschlag aus Eiskristallen. Nach den trüben Regentagen und der Dunkelheit des Winters fühlt sich das erstarkte Licht wie ein Segen an, der Körper und Seele mit neuer Kraft erfüllt. Im alten Glauben macht der Sonnenhirsch zu Lichtmess einen Sprung, die Tage ab Anfang Februar werden spürbar länger. Schon jetzt haben wir eine Stunde mehr Sonnenlicht als noch zur Wintersonnenwende. Das Ende des Winters naht. Unter unserem Ahornbaum strecken schon die ersten Schneeglöckchen ihre Köpfe hervor. Die Haselnusssträucher stehen in voller Blüte. Vogelmiere und Labkraut leuchten grün unter dem Schnee. Es sind die Tage der jungfräulichen, weißgewandeten Göttin, die aus der Unterwelt zurück kehrt und mit ihrem Erscheinen die schlafenden Samen zum Keimen bringt und den Saft der Bäume aufsteigen lässt. Wir gehen ihr zur Hand und rütteln nach altem Brauch einmal kräftig an unseren Obstbäumen, um sie aus ihrem Winterschlaf aufzuwecken und um gute Ernte zu bitten.
Im keltischen Glauben wurde am heutigen Abend das Lichterfest Imbolc zu Ehren Brigids gefeiert, der dreigestaltigen Göttin, die später von den Christen als heilige Brigida von Kildare verehrt wurde und eine der Nationalheiligen Irlands ist. Sie herrschte über das Feuer und galt als Personifikation der Dichtkunst und Inspiration, als Patronin der Schmiede und Heiler, Beschützerin der Frauen und Säuglinge, als Fruchtbarkeitsbringerin. Sie ist verwandt mit der germanischen Holla oder Perchta, auch bei uns gab es Legenden über die weiße Frau, die Anfang Februar über die Felder wandelt und neues Leben mit sich bringt. Maria Lichtmess geht vermutlich ebenfalls auf die alten Brauchtümer und Lichterfeste zum Ausklang des Winters zurück. Es ist die Zeit der Reinigung und des Aufbruchs. Wir können uns von alten Gewohnheiten befreien und neue, leuchtende Vorhaben auf den Weg bringen. Dazu werden wir in der Dämmerung kleine Schiffchen aus Birkenrinde mit Kerzen und einem Wunsch bestücken und den Fluss hinab segeln lassen.
Auf unserem Winterspaziergang haben wir 28 Binsen für die 28 Tage des Februars geschnitten, aus denen wir das Brigidakreuz flechten. Es wird uns gemeinsam mit einem Druidenstern aus Haselzweigen als Schutzsymbol im kommenden Jahr begleiten.
Am Abend entzünden wir dann auf jeder Fensterbank im Haus Kerzen, die mit ihrem Licht die Dunkelheit des Winters aus unserem Haus vertreiben. Früher streute man manchmal noch Salz oder Bergkristall um die Kerzen, um das Licht zu verstärken. Eigentlich soll zu diesem Zeitpunkt der Frühjahrsputz schon abgeschlossen sein, aber das habe ich mir in diesem Jahr gespart. Ich halte es mit den Samen und konzentriere mich lieber auf die Vorhaben und Ideen, die noch in mir schlafen und die ich zum Keimen bringen möchte. Zum Beispiel endlich mal diese Texte in Buchform zu veröffentlichen.
Ein Kommentar
Ruth Muhlberg
Ein konkretes Buch würde auch mir sehr gut gefallen.