• Winter

    Neues Licht

    Wir baden in der gleißenden Wintersonne. Die von Raureif überzogenen Felder glitzern wie ein Meer aus Kristall. Die Kinder schlittern jubelnd über zugefrorene Pfützen und lauschen dem Knirschen ihrer Schritte auf dem vereisten Gras. Sie werfen Hände voll fein verharschten Schnees in die Luft und umhüllen sich mit dem funkelnden Niederschlag aus Eiskristallen. Nach den trüben Regentagen und der Dunkelheit des Winters fühlt sich das erstarkte Licht wie ein Segen an, der Körper und Seele mit neuer Kraft erfüllt. Im alten Glauben macht der Sonnenhirsch zu Lichtmess einen Sprung, die Tage ab Anfang Februar werden spürbar länger. Schon jetzt haben wir eine Stunde mehr Sonnenlicht als noch zur Wintersonnenwende. Das…

  • Mamaaa!!!

    Schön schuften

    Ich teste gerade die Corona-Frühlingsdiät. Die funktioniert so, dass ich nach einem mit Homeschooling und Computerkram voll gepacktem Vormittag den restlichen Tag schweren Lehmboden umgrabe, Schubkarren mit Kompost durch die Gegend schiebe und kopfüber vom Apfelbaum hängend mit der riesigen Astschere hantiere. Hungrig nach so viel frischer Luft essen wir dann früh zu Abend, wonach ich in weiser Voraussicht gemeinsam mit den Kindern Zähne putze, weil ich beim Schlaflied singen um 20 Uhr von der ungewohnten körperlichen Arbeit schon im Kinderzimmer einschlafe und wenig später auf allen Vieren in mein Bett krieche, anstatt wie sonst mit Friedolin auf dem Sofa zu versacken, wo ich Dinge trinke, die ich besser nicht…

  • Mamaaa!!!

    Wartungsarbeiten

    „Papa repariert Dinge und Mama repariert die Kinder“, sagt die Siebenjährige, während ich ihrem Bruder einen eindrucksvollen Splitter aus dem Finger ziehe. Womit sie unser Familienleben ziemlich gut auf den Punkt gebracht hat.„Und dann baut Papa Dinge, wo sich die Kinder wieder Splitter holen“, jault der Fünfjährige.Ich finde ja, Friedolin hat den leichteren Job von uns beiden. Er behauptet natürlich das Gegenteil. Die Kinder in diesem Haus gehen aber definitiv häufiger kaputt, als die Dinge. Und es gibt auf Ebay keine Ersatzteile für sie. Vor allem die regelmäßigen Wartungsarbeiten wie Fingernägel schneiden, Haare bürsten und Impftermine bringen das Personal ständig an die Belastungsgrenze. Ich habe zum Beispiel noch nie erlebt,…

  • Corona-Chronik

    Auf den letzten Metern

    Die Tage sind gezählt. Das Guckloch in den Alltag unserer Familie beginnt sich langsam zu schließen. Am 16. März 2020 habe ich den ersten Eintrag veröffentlicht: Unser 1.Klasse-Schulkind maulte heute früh:„Ich will nicht Schule machen, es sind Ferien.“„Das hier sind keine Ferien, das ist Corona. Also, Hefte raus.“Als der Protest anhielt, sagte ich: „Wir spielen jetzt Schule. Du setzt deinen Ranzen auf, gehst zum Bus, wartest fünf Minuten und wenn du wieder kommst, ist hier die Schule und ich bin die Lehrerin“. Das fand sie witzig und wir haben brav Schule gemacht. Der Haken an der Sache war, dass jetzt alle im Dorf erzählen, Familie Eymess würden ihre Kinder trotz…

  • Kinder

    Pick your battles!

    „Wie spricht denn ein Roboter?“, fragt Friedolin die Kinder beim Abendessen. Die Siebenjährige öffnet den Mund, heraus kommt ein bombastischer Rülpser. Erschrocken schlägt sie die Hände vor den Mund. Alle starren sie an. Dann explodieren wir in einem kollektiven Lachanfall. Der Fünfjährige fällt vor Lachen vom Stuhl und die Siebenjährige auf der Küchenbank um.„Wer hätte gedacht, dass aus einem so zarten Mädchen ein so lauter Rülpser kommen kann“, sage ich und wische mir eine Träne aus dem Auge.„Klang doch astrein nach Roboter“, sagt Friedolin und wir kichern wieder los.Ich persönlich finde es ja immer zum Piepen, wenn kleine Kinder unabsichtlich rülpsen. Neulich war jedoch ein Gastkind zum Essen bei uns…

  • unser Garten

    Erde unter den Nägeln

    Ich habe einen Frühlingskater. Der Temperatursprung von 25 Grad von letztem zu diesem Wochenende macht mich fürchterlich unkonzentriert. Die Buchstaben verwandeln sich vor meinen Augen in Samentüten und Beet-Pläne.Die Kinder aßen gestern in T-Shirt und Sonnenbrille im Garten ein Eis, obwohl die Schneeanzüge noch nicht mal getrocknet sind.Vorher hatten wir eine kleine Fahrradtour durch die Feldmark unternommen, waren aber angesichts der Heerscharen von Sonntagsausflüglern zurück in unseren Garten geflüchtet.Die Kinder starteten eine epische Wasserpistolenschlacht und verfolgten sich fröhlich kreischend durch die letzten Schneewehen. Sie platzten vor Frühlingsgefühlen in lauter kleine Atome, die sich in irrer Geschwindigkeit und Lautstärke über den Garten verteilten. Ein verwirrter Zitronenfalter flatterte ihnen aus dem Weg.…

  • Kinder

    Überall Banditen!

    Die Siebenjährige muss sich vor Wegelagerern in Acht nehmen. Ständig lauert ihr jemand aus der Familie auf und nimmt sie mit: „Was ist 7×8?“ oder „Was ist 35:5?“ unter Beschuss. Ich als ihre Interimslehrerin habe den Banditen zwar schon mehrfach gedroht, dass sie die Stadt verlassen müssten, wenn sie noch einmal mit einer Zahlensalve hinter einer Tür lauern. Friedolin und meine Mutter sind aber unbelehrbar. Dieses Dauerfeuer hilft nun wirklich nicht, die Matheblockade der Siebenjährigen zu lösen. Zum Glück ist das Kind kreativ und hat auf die Homeschooling Agenda kurzerhand das Fach: „Angewandter Stoizismus“ gesetzt.Als meine Mutter ihr im Kaninchenstall auflauert und fragt: „Wenn jedes Kaninchen zwei Möhren bekommt, wie…

  • Winter

    Fastenzeit

    „Also, worauf wollen wir in den nächsten sieben Wochen verzichten?“, frage ich beim Mittagessen. Ich hatte den Kindern die Sache mit Jesus und der Wüste erklärt. Und dass es in der Fastenzeit nicht nur darum ginge, zu verzichten, was wir ja seit Monaten zur Genüge tun, sondern auch, falschen Versuchungen zu widerstehen, sich von alten Gewohnheiten zu befreien und Raum für neue Ideen zu schaffen.„Ich verzichte sieben Wochen…“, setzt Friedolin großspurig an, „…auf Schnee.“„Witzig“, sage ich.„Papa könnte sieben Wochen auf Fernsehen verzichten“, schlägt die Siebenjährige vor. Womit sie absolut Recht hat. Seit Corona verbringt Friedolin seinen Feierabend zu 90 % auf Netflix.„Abgemacht“, sage ich. „Sieben Wochen ohne Netflix.“„Wir haben gerade…

  • unser Dorf

    Er fiel im frühen Morgenrot

    Zwischen Gelächter und Tränen liegt ein schmaler Grat. Dabei hatte der Tag so gut angefangen.Die Kinder waren vorfreudig durch die verschneite Feldmark zum See gelaufen. Wir zogen die Packschlitten mit den Schlittschuhen, Decken, Tee und Butterbroten hinter uns her und freuten uns über die Wintersonne und die klare Luft. Ein Pferdeschlitten überholte uns, das Pony stieß kräftige Dampfwolken aus seinen Nüstern und der Fünfjährige sagte: „Jetzt atmen wir das Pony ein.“ Die Kinder malten sich aus, wie sie heute noch schneller über das Eis sausen würden.Dann hörten wir die Kettensägen.Und das Krachen fallender Bäume.Und als wir in den Weg zu unserem Pacht-Grundstück einbogen, sahen wir den Berg aus Stämmen und…

  • Winter

    Kufen und Eis

    Sie gleitet durch den feinen Schnee. Die Kufen ihrer Schlittschuhe kratzen über das darunter verborgene Eis. Alles funkelt und glitzert und strahlt: die Sonne, der Schnee, das Eis, ihre Augen. Sie breitet die Arme aus und beschreibt einen weiten Bogen über den See, gleitet im Slalom unter den tief hängenden Zweigen der Trauerweide hindurch und kommt mit einer Drehung zum Stehen: „Ich hätte nie gedacht, dass Schlittschuhlaufen so viel Spaß macht!“, ruft die Siebenjährige und reckt glücklich ihre Arme in den Himmel. Unsere Kinder sind noch nie Schlittschuh gelaufen. Die vergangenen Winter waren zu warm und ich wollte sie als stolpernde Anfänger nicht in das Getümmel der Eissporthallen schicken. Was,…