unser Garten

Freigang in Nachbars Garten

Jetzt habe ich auch mal die Gärten der Nachbarn kennen gelernt. Also derjenigen Nachbarn, mit denen wir bisher keinen Kontakt hatten. Die dazu passenden Nachbarn habe ich allerdings nicht gesprochen, weil ich damit beschäftigt war, auf allen Vieren durch ihre Büsche zu kriechen. Der Fünfjährige hat die Konversation übernommen und erklärt, dass wir keine Einbrecher sind, sondern unsere ausgebüxten Kaninchen wieder einfangen müssen. Was gar nicht so einfach war, weil die Kaninchen in der fremden Umgebung vergessen hatten, dass wir eigentlich Freunde und nicht Raubtiere sind. Nach einer Stunde Fangen spielen und Büsche von unten bewundern, hatten wir die Kaninchen endlich wieder durch zwei Gärten und ein Tor zurück in ihr Revier gescheucht, was mir als Bilanz eine Zecke am Bauchnabel, diverse blutige Kratzer und einen Riss in der Hose einbracht hatte. Die Hasen streckten sich nach so viel Abenteuer hechelnd auf dem kühlen Lehmboden in ihrem Außengehege aus, sahen aber ganz zufrieden aus. Normalerweise bewohnen sie einen kleinen Bauwagen, samt großer Außenanlage mit ausgeklügeltem Tunnelsystem unter dem Apfelbaum. Aber es wird ihnen dort natürlich trotzdem manchmal langweilig. Denn sie können zwar hoppeln, aber sich ihr Futter nicht selbst aussuchen und vor allem nicht richtig Gas geben. Sprintende Kaninchen können ja bis zu 60 km/h erreichen und über einen Meter hoch springen. Das sollte man immer im Hinterkopf haben, bevor man sich ein Kaninchen anschafft. Sie sind für Käfighaltung absolut nicht geeignet. Weil sie einen starken Bewegungsdrang haben, ähnlich wie Katzen, die man ja auch niemals den ganzen Tag in einen engen Käfig sperren würde. Weil Kaninchen ihr Leid nicht ausdrücken können, ist Käfighaltung leider immer noch gängige Praxis. Obwohl das Tierschutzgesetz vorschreibt, dass die Haltung so bemessen sein muss, dass die Tiere ihr natürliches Verhalten ausleben können.
Nach unserem Kurzurlaub auf dem Bauernhof im vergangenen Herbst, hatte der Fünfjährige seitenweise Kaninchengehege für Naturschützer in sein Reisetagebuch gemalt. Mit Wiese und Kletterplateaus und Versteckmöglichkeiten. Er war so bestürzt darüber, dass die Kaninchen auf dem Bauernhof ihr ganzes Leben in einem engen Käfig verbringen mussten. Nur, damit die Touristen-Kinder sie streicheln konnten. Das Kaninchen einer Spielfreundin hockt auch den ganzen Tag einsam in seinem Käfig im Kinderzimmer. Wenn es angefasst wird, knurrt oder beißt es. Weil es keine Rückzugmöglichkeit hat.
Bei uns dürfen die Kaninchen regelmäßig frei im Garten hoppeln. Im Sommer allerdings nur unter Aufsicht, sonst würden sie sämtliche Heilkräuter abfressen. Sie wissen ja, was gut ist. Aber seit wir neue Nachbarn samt Kaninchen haben, wollen unsere Hasen immer die Konkurrenz ausspionieren, um sicherzugehen, dass es sich nicht um eine feindliche Bande handelt. Auf diese Weise lernen wir trotz Corona endlich mal neue Leute kennen.

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