• Winter

    Wintersonnenwende

    Wintersonnenwende. Die Erde hält den Atem an. Tiefe Dunkelheit umhüllt uns vom Nachmittag bis weit in den Morgen hinein. In unserem Haus haben die Rauhnächte begonnen. Nach christlichem Brauch dauern sie vom 25. Dezember bis zum Dreikönigstag. Wir beginnen bereits mit der Thomasnacht am 20.12., dem Vorabend der Wintersonnenwende. Die Siebenjährige wanderte gestern Abend im Kerzenschein mit dem Räucherpfännchen durch unser Haus. Auf einem Stück Kohle verbrannten wir Beifuß, Wacholder, Fichtenharz und Johanniskraut, Boten des vergangenen Sommers. Der Fünfjährige fächerte mit seiner Schwanenfeder den Rauch in jede Ecke. Natürlich nicht ohne anzumerken, dass er auch bald groß genug sei, das Räucherpfännchen zu halten. Räuchern hilft, das Haus vom Ballast des…

  • Winter

    Durch das Windauge

    Die Kinder können sich nicht entscheiden, ob sie ihre Wunschzettel an das Christkind oder den Weihnachtsmann schicken sollen. Himmelsthür, eines der irdischen Weihnachtspostämter, ist nicht weit von uns. Dorthin könnten wir die Wunschzettel per Post schicken und auf Antwort vom Weihnachtsmann hoffen. Aber die Kinder sind dagegen.„Der Brief kommt doch eh nicht vom echten Weihnachtsmann“, sagt die Siebenjährige abgeklärt. Sie unterscheiden streng zwischen menschlichen Helfern und den echten Weihnachtsgestalten.Als am Abend des 5. Dezember der Nikolaus bei uns klingelte und von seinem voll beladenen Karren Äpfel und Lollis an die Kinder verteilte, waren sie sich sicher: Das war nur ein menschlicher Helfer. Erstens trug er einen Mundschutz und zweitens waren…

  • Winter

    Barbaras Rute

    „Mein Zweig blüht immer noch nicht!“, sagt der Fünfjährige und betrachtet ungehalten seinen Barbarazweig.„Die sollen ja auch erst an Weihnachten blühen, du Dulli“, sagt die Siebenjährige. „Mama, wie lange noch bis Weihnachten?“„24-20“, sage ich. Die Siebenjährige tut sich immer noch schwer mit Kopfrechnen, da muss ich jede Gelegenheit nutzen.„Also, wie lange noch?“, fragt der Fünfjährige.„Einen Tag weniger als gestern“, sagt die Siebenjährige und verlässt den Raum.In diesem Jahr haben wir uns mit der grünen Kraft von Birne, Pfirsich, Apfel und schwarzer Johannisbeere eine Vorahnung von Frühling ins warme Haus geholt. Die Kinder haben sich Zweige von ihren Taufbäumen geschnitten, Friedolin haben wir auch einen Zweig mitgebracht. Er hat es nicht…

  • Kinder

    Die Mamapizza

    Ich habe meine endgültige Bestimmung gefunden: ich bin eine Pizza. Ich hatte gestern nachmittag einen toten Punkt. Er war nicht nur tot, er war schon am Verwesen. Also kippte ich kopfüber auf die Matratze im Tobeflur und rührte mich nicht mehr. Aber wie immer, wenn Mütter verwesende Punkte haben, waren die Kinder absolut unleidlich. Der Fünfjährige hockte sich auf meinen Rücken und quengelte ununterbrochen in mein Ohr: „Mama, holst du meinen Pferdestall vom Dachboden und spielst mit mir?“ Ich stellte mich tot, aber das interessierte ihn nicht weiter. „Mama, Mama, Mama, Mama.“ Also nuschelte ich in die Matratze:„Ich weiß nicht, wo der Stall ist, frag Papa, der hat den hoch…

  • Kinder,  Winter

    Wehret dem Nikolaus!

    Am Nikolausabend wollte der Fünfjährige nur bewaffnet ins Bett gehen. Ihm sind alte Männer grundsätzlich suspekt. Wenn sie dann auch noch nachts mit einer Rute und einem Sack durchs Haus schleichen, macht das die Sache nicht besser.„Mama, wo ist mein Faustkeil?“, fragt der Fünfjährige und sieht sich im Zimmer um. Den hat er in einem Steinzeitpark selbst aus Feuerstein gehauen, er ist angemessen scharf und eignet sich gut für den Nahkampf. Die Siebenjährige sitzt milde lächelnd im unteren Doppelstockbett. Für solche Albernheiten ist sie natürlich zu alt. Sie möchte lieber eine ernsthafte Unterredung mit mir führen.„Hat eigentlich schonmal jemand die Süßigkeiten vom Nikolaus in einem Labor untersucht?“, fragt sie.„Warum?“, frage…

  • Mamaaa!!!

    Wer ist hier zuständig?

    „Nein!!!“, die Siebenjährige schreit verzweifelt auf. Aber es ist zu spät, der Fünfjährige hat schon das hinter der Heizung versteckte Bild hervorgezogen.„Das ist doch mein Geschenk für Mama“, sagt sie mit erstickter Stimme und ich schlage mir schnell die Hände vors Gesicht.„Ich habe gar nichts gesehen“, beteuere ich.„Doch, hast du wohl“, schluchzt sie und vergräbt sich unter ihrer Bettdecke.„Das konnte ich doch nicht wissen“, sagt der Fünfjährige bestürzt.All meine Tröstungsversuche scheitern.„Mama, jetzt hast du gar keine Überraschung mehr“, erklingt es traurig und dumpf unter der Decke, „dabei machst du uns immer so schöne Geschenke.“„Und jedes Jahr an Weihnachten seid ihr mein größtes Geschenk“, sage ich. „Aber über das Bild werde…