Wehret dem Nikolaus!
Am Nikolausabend wollte der Fünfjährige nur bewaffnet ins Bett gehen. Ihm sind alte Männer grundsätzlich suspekt. Wenn sie dann auch noch nachts mit einer Rute und einem Sack durchs Haus schleichen, macht das die Sache nicht besser.
„Mama, wo ist mein Faustkeil?“, fragt der Fünfjährige und sieht sich im Zimmer um. Den hat er in einem Steinzeitpark selbst aus Feuerstein gehauen, er ist angemessen scharf und eignet sich gut für den Nahkampf. Die Siebenjährige sitzt milde lächelnd im unteren Doppelstockbett. Für solche Albernheiten ist sie natürlich zu alt. Sie möchte lieber eine ernsthafte Unterredung mit mir führen.
„Hat eigentlich schonmal jemand die Süßigkeiten vom Nikolaus in einem Labor untersucht?“, fragt sie.
„Warum?“, frage ich.
„Dann könnte man ja raus finden, wie und wo die hergestellt werden und ob der Nikolaus wirklich existiert.“
Die Siebenjährige hat sich zu Weihnachten einen Detektivkoffer gewünscht und wird nächstes Jahr garantiert die Spurensicherung vom Nikolaus übernehmen.
„Vielleicht wollte das bisher auch niemand so genau wissen“, sage ich vorsichtig. „Wissen und Glauben schließt sich manchmal aus.“
Bei uns wäre das Ergebnis der Laboranalyse recht eindeutig. Vielleicht sollte ich ab jetzt vorm Befüllen der Stiefel Handschuhe anziehen. Ich wechsele schnell das Thema:
„Ihr steht aber nicht wieder mitten in der Nacht auf, ja?“
„Wann dürfen wir denn zu den Stiefeln?“
„Wenn ihr morgen früh die Äste vom Ahornbaum erkennen könnt“, sage ich. „Vorher nicht.“ Gerade wird es ja nicht vor 8 hell, dann können wir wenigstens ein bisschen ausschlafen.
Wenige Stunden später werde ich unsanft geweckt
„Lasst uns froh und munter sein“, kräht es unfreiwillig zweistimmig vom Flur herein.
Der Wecker zeigt 5:30 Uhr. Ich schaue aus dem Fenster. Man kann die Äste unseres Ahornbaums deutlich erkennen. Ich hatte vergessen, dass unsere Nachbarn ihre flutlichthafte Außenbeleuchtung die ganze Nacht brennen lassen. Sie haben nämlich ebenfalls Angst vor Männern, die nachts mit Säcken über dem Rücken durch ihr Haus schleichen. Vielleicht kann der Fünfjährige ihnen mal seinen Faustkeil leihen.