Nachhaltigkeit,  unser Dorf

Mein Mann, der Messie

Wir sind die Müllkippe des Dorfes. Mittlerweile hat sich rumgesprochen, dass man alles bei uns abladen kann. Alte Fenster, Balken, Fässer, kaputte Türen, Kameras, Kinderbetten… wozu haben wir denn den alten Stall? Was uns nicht gebracht wird, klaubt Friedolin vom Sperrmüll oder vom Flohmarkt. Manchmal mache ich mir Sorgen, dass er Messie-Tendenzen entwickelt. Man kann unser Nebengebäude kaum noch betreten. Wobei ich den Stall ohnehin nicht betrete. Dort hausen Spinnen, groß wie Suppenteller. Immerhin halten sie uns die Ratten vom Leib. Vielleicht behauptet Friedolin das aber auch nur, damit er im Stall seine Ruhe vor mir hat. Doch jedes Mal, wenn ich mit ihm schimpfe, weil er wieder eine Wagenladung voll Schrott ankarrt, zieht Friedolin ein Ass aus dem Ärmel. Oder eine Spax-Schraube. Dann baue ich mir ein neues Frühbeet und Friedolin verschwindet im Stall, nur um Jean-Pütz-mäßig „Ich hab da mal was vorbereitet“ mit einem Fenster wieder aufzutauchen, das millimetergenau auf meinen Beet-Rahmen passt. Oder er baut eine Wandverkleidung aus alten Türen, wodurch unsere usselige Tenne plötzlich wie ein Berlin-Mitte-Hipster-Lokal aussieht. Aus dem Fenster des Abriss-Hauses wird eine Vitrine, aus den antiken Tiertransport-Kisten Küchenoberschränke und aus dem Ski-Stock ein Klorollenhalter.

Manchmal wandele ich fasziniert durch die stilvoll eingerichteten Neubauten unserer Freunde, durch ihre perfekten Einbauküchen und Natursteinbäder. Dort passt alles zusammen, alles ist heil und aufgeräumt und sieht aus wie diese schönen Pinterest-Einrichtungsfotos, auf denen immer die Sonne scheint. Dann bin ich kurz wehmütig und denke, ach, ein Esstisch ohne Risse im Holz, die von unseren Kinder als Kartoffelbreidepot genutzt werden, wäre auch mal schön. Aber dann erinnere ich mich daran, wie meine Eltern sich von unseren alten Sofas trennten. Auf den glänzenden neuen Ledersofas durften wir Kinder nicht mehr hopsen, nicht mehr krümeln oder kabbeln. Danach war das Wohnzimmer nur noch halb so heimelig. Und ich denke an die Kredite, die für all die neue Schönheit aufgenommen werden mussten und die Unfreiheit, die damit einhergeht. Wir haben noch nie auf großem Fuß gelebt. Daher trifft uns die Corona-Krise nur bedingt. Wir verdienen zwar nichts mehr, aber wir brauchen auch nicht viel zum Glücklichsein. Manchmal ist es von Vorteil, einen Messie als Mann zu haben. Wobei, wenn ich Messi zum Mann hätte, würde ich zu einer neuen Küche nicht nein sagen.

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