• Winter

    Neues Licht

    Wir baden in der gleißenden Wintersonne. Die von Raureif überzogenen Felder glitzern wie ein Meer aus Kristall. Die Kinder schlittern jubelnd über zugefrorene Pfützen und lauschen dem Knirschen ihrer Schritte auf dem vereisten Gras. Sie werfen Hände voll fein verharschten Schnees in die Luft und umhüllen sich mit dem funkelnden Niederschlag aus Eiskristallen. Nach den trüben Regentagen und der Dunkelheit des Winters fühlt sich das erstarkte Licht wie ein Segen an, der Körper und Seele mit neuer Kraft erfüllt. Im alten Glauben macht der Sonnenhirsch zu Lichtmess einen Sprung, die Tage ab Anfang Februar werden spürbar länger. Schon jetzt haben wir eine Stunde mehr Sonnenlicht als noch zur Wintersonnenwende. Das…

  • Winter

    Das Licht stirbt

    Mit jedem Tag versinkt die Sonne früher hinter den Hügeln. In der dunkelsten Zeit des Jahres entzünden wir unsere Adventskerzen, um uns auf die Ankunft vorzubereiten. Die Rückkehr der Sonne, die Ankunft Gottes Sohns, den Beginn eines neuen Jahres mit neuen Hoffnungen, Vorsätzen und Aufgaben. Früher bin ich in der Düsternis des Winters immer fürchterlich melancholisch und antriebslos gewesen. Seit ich auf dem Land lebe und die Zyklen der Natur viel stärker erlebe, erscheint mir der Winter als ebenso ein Wunder wie der Frühling. Die Pflanzen ziehen sich unter die Erde zurück, die Bäume verlagern ihre Kraft nach innen. Unsere Kaninchen haben flauschiges Winterfell bekommen und hocken dick und rund…

  • Gesellschaft

    Odin sagt: Keine Nazis in Walhall!

    oderWem gehören die alten Bräuche? „Sie mag Heilkräuter, Fantasyromane und die nordischen Götter“, sagt Friedolin und legt mir eine Reportage über eine Frau auf den Tisch, die sich in der rechten Szene radikalisiert hat.„Vielleicht mag sie auch Toastbrot, Spaxschrauben und liest gern auf dem Klo“, sage ich. „Das haben die in der Zeitung halt weggelassen.“ Ich bin etwas dünnhäutig bei dem Thema. Natürlich möchte ich auf Grund meiner Interessen nicht mit Personen in einen Topf geworfen werden, die eine menschenverachtende Gesinnung propagieren. Wenn man sich in Deutschland für altes Brauchtum, germanische Götter- und Heldensagen oder Runenkunde interessiert, gerät man schnell in Erklärungsnot. Es stellt sich die Frage, ob man wegen…

  • Frühling

    Die Göttin und der Holunder

    „Guten Tag, Frau Holla“, sagt der Vierjährige und vergräbt seine kleine Nase andächtig in der duftenden Holunderblüte. Dann lauscht er einen Moment auf die unhörbare Antwort. Die Sechsjährige streichelt sanft über die Blüten und schnuppert an ihren zartgelben Fingern. In alten Zeiten war es üblich, sich zur Blütezeit vor dem Hausholunder zu verneigen oder den Hut zu ziehen. Er galt als heiliger Baum, als Hausapotheke der Bauern, spendete Schutz und Nahrung. Die Urgöttin Holla, Hullefrau, Hel – oder wie wir sie heute kennen – Frau Holle hatte ihren Wohnsitz im Hollerbusch. Seine Wurzeln reichten tief in ihr unterirdisches, lichtdurchflutetes Reich. Schwangere Frauen umarmten den Busch, weil sie glaubten, die Göttin…