Kreuzigung mit Seerobben
Jesus ist tot. Das ist jetzt eigentlich keine Neuigkeit. Doch unsere Kinder schockiert es Karfreitag jedes Jahr aufs Neue. Der Osterhase ist so ein Popstar, da gerät die Geschichte mit Jesus schnell ins Hintertreffen. Dieses Jahr erwischt es sie besonders kalt, weil die christliche Erziehung seit Corona brach liegt. Ich bin ja eine heidnische Naturanbeterin, normalerweise bereiten die Kinderkirche und der Religionsunterricht der Schule sie auf Ostern vor. Aber da sie Eier suchen möchten, sollen sie auch wissen warum. Eigentlich kenn ich mich besser mit Geschichten von Zeus und Odin aus und die muss man blutig erzählen, sonst macht das keinen Spaß. Für Jesus gilt das offenbar nicht. Der Vierjährige kriegt bei meiner dramatischen Schilderung der Kreuzigungsgeschichte eine Zitterlippe und versteckt sich unter dem Tisch. Wenn Prometheus an den Felsen gekettet wird, macht er nicht so ein Theater. Ich sage, dann soll er halt seine Omimi anrufen, die kann das mit Jesus besser als ich. Friedolin und ich gehören zur Gemeinde der Taucher, wie unser Pastor so schön sagt. Zu Weihnachten tauchen wir unvermittelt in der Kirche auf. Die Weihnachtsgeschichte können unsere Kinder natürlich auswendig. Geburt liegt ihrem Alter zum Glück näher als Tod und Auferstehung. Sie machen auch jedes Jahr im Krippenspiel mit: die Sechsjährige ist der dritte Engel von links, der Vierjährige immer ein Schaf. Er ist ziemlich gut im method-acting. Letztes Mal hat er das Deko-Essgras vor der Krippe komplett weggefressen. Kreuzigungsspiele hingegen haben sich in Kinderkirchen offenbar nicht durchsetzen können. Aber da habe ich meine Mutter unterschätzt. Gerade spielt sie mit den Kindern die Ostergeschichte im Sandkasten mit Playmobilmännchen nach. Der Vierjährige besteht darauf, dass auch Seerobben bei der Kreuzigung anwesend waren. Die Sechsjährige formuliert ihre Kritik an dieser Auslegung der Bibel mit einem gezielten Tritt gegen sein Schienbein. Woraufhin er wutentbrannt den Hügel von Golgatha zertrampelt. Beide heulen. „Lasset die Kinder zu mir kommen.“ Ich bin mir nicht sicher, ob Jesus das gesagt hätte, wenn er unsere Kinder gekannt hätte. Immerhin haben sie sich an Gründonnerstag die Füße gewaschen. Wenngleich ich mir nicht sicher bin, ob das ein offizieller Osterbrauch ist.