Hochzeitstag
Friedolin und ich haben heute Hochzeitstag. Nicht, dass diese Information für irgendjemanden relevant wäre. Wir feiern unseren Hochzeitstag nämlich nicht. Am ersten Hochzeitstag war unsere Tochter gerade geboren, da hatten wir unser Kind im Kopf und nicht uns. Im zweiten Jahr waren wir mit Kind und Campingbus ohne Zeitgefühl in Schweden unterwegs. Ab da haben wir den Tag konsequent vergessen. Vielleicht auch verdrängt. Was daran liegen könnte, dass wir ein ziemlich zwiespältiges Gefühl zu unserer Hochzeit haben. Unsere Gäste sind bis heute der einmütigen Auffassung, dass es ein wunderbar rauschendes Fest war. Zwei Tage voller Liebe und Freundschaft und Natur, voller Spiele, Feiern und Musik.
Wir waren einfach nur brettfertig.
Was vielleicht daran gelegen hat, dass Friedolin den Abend vor unserer Hochzeit im Krankenhaus verbracht hat.
Es hatte am Anreisetag unserer Freilufthochzeit den schlimmsten Wolkenbruch seit 10 Jahren gegeben. Das Schullandheim, in dem wir feiern und schlafen wollten, wurde geflutet. Die Schächte vor den Kellerfenstern füllten sich wie Aquarien. Praktischerweise betritt man das Haus durch den Keller. So konnten sich unsere Hochzeitsgäste beim heiteren Wasserschippen miteinander bekannt machen. Die lustigen Polterabend-Spiele in der Turnhalle mussten wir allerdings beenden, es hatte reingeregnet, der Boden war rutschig. Friedolin wollte trotzdem noch einen letzten Ball auf den Basketballkorb werfen, rutschte aus und knallte auf den Hinterkopf. Für einen kurzen Moment überlegte ich ernsthaft, ihn da einfach blutend liegen zu lassen und mit dem Hausmeister durchzubrennen. Wir hatten diese Hochzeit seit Monaten geplant und Friedolin riskierte alles wegen Basketball.
Im Krankenhaus gab es dann einen eindrucksvollen Showdown zwischen einer netten Assistenzärztin und einer hyperventilierenden Braut:
Ärztin: „Er hat vielleicht eine Gehirnerschütterung, wir möchten ihn über Nacht zur Beobachtung dabehalten.“
Braut: „NEIN! WIR HEIRATEN MORGEN FRÜH!“
Ärztin: „Ich muss ihm jetzt den Hinterkopf rasieren, um die Wunde zu nähen.“
Braut: „NEIN! NEIN WIR HEIRATEN MORGEN FRÜH!“
Ärtzin: „Das sagten sie bereits.“
Braut: „“NEIN! NEIN WIR HEIRATEN MORGEN FRÜH“
Zum Glück gibt es Photoshop. Wir sahen nach dieser schlaflosen Nacht auf unseren Hochzeitsfotos aus wie Zombies. Ich musste auf allen Bildern unsere ziemlich tiefen Augenringe wegretuschieren, Friedolin trug einen Hut. Vielleicht hatten wir uns auch ein kleines bisschen übernommen mit einer selbst organisierten 48-Stunden-Feier für 100 Gäste inklusive Übernachtung. Als ich nachts um 1 Uhr mutterseelenallein im Brautkleid die Reste des Buffets in die Kühlung trug, dachte ich: Weddingplaner haben durchaus ihre Berechtigung.
Wir haben auf dem Gelände des Schullandheims geheiratet, in dem Friedolin Zivildienst gemacht hatte. Es ist ein wunderbarer Ort, direkt am Waldrand des Deisters auf einem Hügel gelegen. Wir haben uns im Wald voller Vogelgezwitscher das Jawort gegeben und auf einer Wiese unterm Sternenhimmel gefeiert. Am Ende war unsere Hochzeit so wie unsere Auftritte: Wir haben uns bei der Vorbereitung viel gestritten („Klar, ist es total entscheidend, dass alle Tische mit blauen Blumenvasen und selbst genähten Blümchenservietten geschmückt sind, was für eine dumme Frage!“), mussten währenddessen an 1000 Sachen denken, vor allem, dass wir an der richtigen Stelle den Text nicht vergessen und hatten am Ende einer Menge Menschen eine ziemliche schöne Zeit bereitet. Wir wollten ein Mal in unserem Leben all unsere weit verstreuten Freunde und Kollegen, unsere zerrissenen Familien, einfach alle Menschen, die uns am Herzen liegen, an einem Ort zusammen führen. Das war wundervoll und es lag viel Liebe in der Luft. Auch wenn wir selbst nicht ganz anwesend waren.