Sommer,  unser Dorf

Das Paradies dichte bi

Abtauchen, das Wasser rauscht an meinen Ohren vorbei, für einen Moment in der Tiefe schweben, in einem Fächer aus Sonnenstrahlen, Stille. Zarte Schwanenfedern treiben wie Miniatursegel über mich hinweg, Wasserläufer balancieren mit gespreizten Gliedern an der Oberfläche. Auftauchen, atmen, auf dem Rücken treiben und in die Wolken schauen. Der Milan zieht seine Kreise über mir, unter mir liegt der lange Wels tief am kiesigen Grund. Manchmal kann ich ihn denken hören, dunkel und grün. Neben mir gleitet die Siebenjährige durchs Wasser. Sie ist ein Wassermädchen und schwimmt seit sie Vier ist wie eine Robbe durch den See. Der Fünfjährige keschert in Ufernähe Teichmuscheln und beobachtet Libellen. Unser See ist kein malerischer Bergsee, kein idyllisches Haff, er ist ein prosaischer niedersächsischer Baggersee. Aber für uns ist er das Paradies. Auch wenn unsere Einstiegsstelle seit dem Hochwasser vor drei Jahren eine rutschige Abbruchkante hat, auch wenn die Schwäne regelmäßig unsere Paletten-Badeinsel zukacken, es ist unsere versteckte Welt neben der Welt. Sobald wir unsere Parzelle betreten, sind wir tiefenentspannt. Hier gibt es im Gegensatz zu Haus und Garten nichts zu tun. Natürlich könnten wir etwas tun. Unsere See-Nachbarn hegen und pflegen und pflanzen auch hier. Aber wir wollen keinen zweiten Garten. Wir wollen Natur. Wir wollen Walderdbeeren unter den Schwarzerlen pflücken und uns jedes Jahr überraschen lassen, welche Wildblumen unsere Wiese hervorbringt. Schlüsselblumen im Frühjahr, Wiesenmargeriten im Sommer, buntes Laub im Herbst. Der Fünfjährige hat ein Angel zum Geburtstag bekommen, aber eigentlich beobachten wir die Fische lieber, als das wir sie essen.
Vor neun Jahren sind wir das letzte Mal geflogen. Wir vermissen es nicht. Seit wir als Kabarettisten durch Deutschland touren, wissen wir erst, wie schön unser Land ist. Es gibt so viele Wunder zu entdecken zwischen Helgoland und dem Bayrischen Wald. Und sei es die Kiesgrube dichte bi.

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