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Chipsflixen

Friedolin möchte mich schlachten. Anders kann ich mir nicht erklären, warum er mein Gewicht mit Chips und Vanilleeis in die Höhe treibt. Vielleicht hat er im Darknet irgendeinen Kannibalen-Club aufgetan und hofft, mit seiner dicken Frau noch ein paar Euros dazu zu verdienen. Seit Corona suchen ja alle Künstler verzweifelt nach neuen Geschäftsideen. Und ich falle jeden Abend drauf herein. Wir haben gesund zu Abend gegessen mit Gartenkräuter-Tee, Bio-Vollkornbrot und Rohkost, die Kinder schlafen, Friedolin und ich brechen erschöpft auf dem Sofa zusammen und nach einer Weile lässt er ganz beiläufig diesen perfiden Satz fallen:

„Irgendwie hab ich noch Hunger…“

Und bevor ich „Einspruch“ brüllen kann, ist er schon aus der Speisekammer zurück und stellt eine Schale mit Salt&Vinegar-Chips zwischen uns oder gesalzene Nüsse oder irgendeine andere Schweinerei, die man am nächsten Morgen bereut, wenn einem latent schlecht ist und die Augen vom vielen Salz zugeschwollen sind wie von Rocky Balboa.
„Es zwingt dich ja keiner, das zu essen“, sagt Friedolin dann immer. Was ja als Argumentation völlig unsinnig ist, weil natürlich MUSS ich das essen, wenn er es neben mich stellt. Und ich muss es auch aufessen. Ein bisschen Chips ist ja ähnlich befriedigend wie ein bisschen Sex. Aber mit jemanden, der einen Kalorienumsatz von einem hyperaktiven Erdmännchen hat, braucht man so etwas nicht zu diskutieren.

Die Kinder haben längst gewittert, dass hier was im Busche ist. Der Fünfjährige schlurft neuerdings mit meinen Hausschuhen durch die Gegend und singt: „Ich bin ’ne dicke Mama, ich bin ’ne dicke Mama.“ Eines morgens haben sie Sherlock-mäßig die Chipskrümel aus der Sofaritze gepult und uns vorwurfsvoll entgegengestreckt:
„Ihr habt Chips gegessen!“ Sie bekommen Chips nur bei Dorffesten im Feuerwehrhaus. Seitdem stecke ich abends extra ein paar Krümel in die Sofaritze, damit die Kinder sie am nächsten Morgen finden. Schließlich ist Corona, da zählt jede Beschäftigungsmöglichkeit.

Ich flehe Friedolin an, diese Sachen nicht mehr zu kaufen. Mittlerweile hat er mich jedoch so konditioniert, dass ich, sobald mein Hintern das Sofa berührt, so laut CHIPS denke, dass ich den Film nicht mehr verstehe und dann maule, weil er keine gekauft hat. Er sagt, mein Verhalten sei völlig widersinnig.
„Und wessen Schuld ist das?“, frage ich überflüssigerweise, weil er ja ohnehin immer Schuld ist.

Dabei ist es mir schnurzpiepegal, wie viel ich wiege. Ich habe zwei granatenstarke Kinder in diesem Körper beherbergt, das darf man durchaus auch sehen und würdigen. Mein Körper erzählt die Geschichte meines Lebens, mit allen Narben, Bergen und Tälern. Aber Chips und Sahneeis sind Kapitel, für die ich gern einen strengeren Lektor hätte. Ich träume davon schlecht und bin morgens gereizt, weil ich mich innerlich verklebt fühle. Also drücke ich auf die Spaßbremse, putze mir abends gemeinsam mit den Kindern die Zähne und gehe mit einem Buch ins Bett, während Friedolin unten alleine chipsflixt. Soll er sich doch eine neue Geschäftsidee suchen.

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