Kinder

Du Pastinakenvogel!

„Du dumme, dumme Kuh“, brüllt der Vierjährige aus der Küchentür und wirft sie mit Karacho ins Schloss. Wir wollen die Schimpfwörter loswerden und schicken sie in den Garten. Seit die Elfjährige im Haus ist, nehmen die Beschimpfungen überhand. Im Garten sind sie besser aufgehoben. Den Hühnern und dem Molch ist es schließlich egal, wenn ihnen „Stinkfurz“ (der Vierjährige) oder „du kleiner Pisser“ (die Elfjährige) um die Ohren fliegen. Nur die Siebenjährige hält sich vornehm zurück. Sie hat es nicht so mit Schimpfwörtern. Ihr Wortschatz ist immens, aber mit Kraftausdrücken ist sie seltsam hilflos. Einmal standen wir mit den Kindern am Seeufer und probierten das Echo aus. Ihr etwas älterer Freund schrie herausfordernd „PENIS“ über den See. Ich wartete gespannt, was unsere Tochter antworten würde. Schließlich holte sie tief Luft und rief: „WASSERPFLANZE!“ Sie guckte stolz in die Runde und kam sich ziemlich wild vor. Gut, Scheide eignet sich mangels Explosivlaut zugegebenermaßen eher schlecht als Schlachtruf. Ebenso wie „dicke Eier“ für Selbstbewusstsein steht, du „Pussy“ aber genau das Gegenteil bedeutet. Was eigentlich vollkommen unlogisch ist, weil, wie jeder weiß, ein Tritt in die Eier selbst den stärksten Kerl in die Knie zwingt, wohingegen die „Pussy“ in der Lage ist, einen vollständigen Menschen hindurchzuzwängen. Nur mal so am Rande.

Ihr Freund hat schon so manchen Fluch mit angeschleppt. Aber er ist ein pfiffiger Junge. Also haben wir ein Spiel draus gemacht, wer sich die lustigsten Schimpfwörter ausdenkt. Friedolin hat natürlich gewonnen. „Du Pastinakenvogel“ ist so eine wunderbar liebevolle Beschimpfung, sie sollte in den Duden aufgenommen werden. Die Elfjährige sagt auch gern „Alter“ und „geil“. Wenn ich in Gegenwart meiner Großmutter geil sagte, warf sie mir einen strengen Blick zu und ich gab mir mehr Mühe. Sie verwendete Wörter wie hinreissend, wonnig, famos, fabelhaft, wunderbar oder bezaubernd. Natürlich wandelt sich Sprache und gerade Kinder und Jugendliche brauchen ihre eigenen Ausdrücke zur Abgrenzung. Aber auch ich finde „Alter“ und „geil“ bedauernswerte Beschneidungen der vielfältigen Ausdrucksmöglichkeiten unserer facettenreichen Sprache. Abhilfe schuf auch hier der Wettbewerbsgeist der Kinder. Es begann statt „Alter“ mit dem schönen Ausruf „Ach du grüne Neune“, wandelte sich über „ach du kratzige Unterhose“ hin zu „ach du schmieriger Scheibenwischer“. Wir haben alle viel Spaß bei diesen Neuschöpfungen. Die Beschimpfungen werden wir aber wohl nicht los.
„Du dumme, dumme Kuh“ spuckt der Vierjährige seiner Schwester ins Gesicht.
„Ich dachte, du hast die Schimpfwörter in den Garten rausgeschickt“, sage ich.
„Hab ich auch“, antwortet er. „Aber sie sind durch die Wäschekammer wieder reingekommen.“

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