Die Event-Beerdigung
Wir überlegen, wen wir umbringen sollen, damit unsere Tochter in zwei Wochen ihren 7. Geburtstag feiern kann. Beerdigungen sind ja wieder erlaubt. Unser Huhn Miss Granger ist vor ein paar Tagen gestorben, vielleicht können wir das im kleinen Kreis mit den Nachbarskindern an ihrem Geburtstag beerdigen. Dafür müssten wir es allerdings erstmal exhumieren. Hinterher natürlich gut Händewaschen und zweimal Happy Birthday singen. Am Geburtstag macht das ja endlich mal Sinn. Oder wir spendieren allen eingeladenen Kindern einen neuen Haarschnitt, die Frisöre sind ja wieder geöffnet. Oder Friedolin und ich vollziehen eine Blitzscheidung und heiraten wieder an ihrem Geburtstag. Vorzugsweise jemand anderen. Nach sieben Wochen Quarantäne können wir ein bisschen Abwechslung gebrauchen.
„Ich hab noch nie an Scheidung gedacht“, sagt Friedolin zu meinem Vorschlag. „An Mord ja, aber Scheidung?“
„Hoffentlich wird mein nächster Mann auch so witzig wie du“, sage ich. Das ist mein neuer Lieblingskonter. „Dein Kind hat Geburtstag, da kannst du auch mal Opfer bringen.“
Ich bin entspannt, was ihren Corona-Geburtstag betrifft. Endlich stehen wir mal nicht in Konkurrenz mit all diesen Erlebnis-Geburtstagen im Freundeskreis unserer Tochter. Bauernhofgeburtstag, Tierparkgeburtstag, Gokart-Bahn-Geburtstag, Kletterhallengeburtstag, was ist nur aus dem guten alten Topfschlagen geworden? Die Kinder sind Sechs, wohin soll sich das in den nächsten Jahren noch steigern? Werden dann mit Zehn alle Kinder zu einem Kurztrip nach Mallorca eingeladen?
Wir feiern immer im Garten, sie ist schließlich ein Maikind und unser Garten muss sich amortisieren. Wenn Stadtkinder im Winter Geburtstag haben und in einer 3-Zimmer-Wohnung wohnen, verstehe ich ja dieses Event-Gedöns. Ich möchte auch nicht, dass mir ein Haufen zuckerinfundierter Siebenjähriger die Hütte auseinandernimmt. Aber hier auf dem Dorf haben doch alle einen großen Garten und die Kinder sind meiner Erfahrung nach froh, wenn sie mal in einer größeren Gruppe in Ruhe toben dürfen. Das haben sie bei all dem Freizeitstress heutzutage ja wirklich selten.
Wir werden bei unserer Beerdigung den Popcorn-spuckenden-Dino vom Dachboden holen, bei dem die puderzuckerverschmierten Kinder immer ekstatisch skandieren: Kotz! Noch! Mal! Kotz! Noch! Mal! Dann werden Friedolin und ich ein dadaistisches Puppentheater aufführen, woraufhin die Kinder ein noch viel anarchistischeres Puppentheater aufführen. Dann Schnitzeljagd und schließlich Lagerfeuer und Stockbrot. Zum Glück ist Corona, da werden auch die erlebnisverwöhnten Gören mit so einer Event-Beerdigung zufrieden sein.