• Frühling

    Palmbuschen für den Frühling

    Wir haben es geschafft! Von heute an sind die Tage wieder länger als die Nächte. Die Dunkelheit des Winters ist endgültig überwunden. Zwar wehte gestern zur Tag-und-Nacht-Gleiche ein kalter Wind, der so gar keine Frühlingsgefühle aufkommen lassen wollte. Friedolin und die Kinder verkrochen sich wie die Murmeltiere in ihre Höhlen und weigerten sich, das Haus zu verlassen. Aber der Brautgesang der Vögel klang nach neuem Leben und Aufbruch, also fuhr ich allein mit dem Fahrrad hinaus in die Felder, um Zweige für unseren Palmbuschen zu schneiden. Ich lief am verwilderten Ufer der Teiche entlang, durch undurchdringliche Knicks und lichtes Gehölz. In der ungewohnten Stille konnte ich erspüren, welche Bäume uns…

  • Kinder

    „Na, wie war’s?“

    „Ist das eine Krähe oder eine Elster“, fragt Friedolin und schaut mit zusammen gekniffenen Augen in Richtung Ahorn.„Das ist eine Krähe, Papa“, sagt der Fünfjährige.„Du brauchst echt mal eine Brille“, sage ich, aber Friedolin schüttelt entrüstet den Kopf.„Da war ein Ast vor, deshalb konnte ich das nicht richtig erkennen.“Friedolin hat es nicht so mit Vögeln. Wenn unser kleiner Teich zur Vogel-Badeanstalt wird, ruft er gern: „Guckt mal Kinder, der Spatz!“ Dann rollen die Kinder mit den Augen und korrigieren: „Das ist ein Buchfink, Papa.“ Für ihn ist jeder Vogel, der klein und annähernd braun ist, ein Spatz (auch Zaunkönige, Heckenbraunellen und Finken). Amseln immerhin erkennt er. Zumindest die Männchen. Er…

  • Nachhaltigkeit,  unser Garten

    Nofretete hat Schnupfen

    Nofretete hockt kläglich auf der Fußmatte vor der Küche und atmet durch den Schnabel. Den Hühnern hat der Wetterumschwung von kalt zu warm zu kalt besonders zu schaffen gemacht. Jetzt drängen sie sich vor der Küche und versuchen, etwas warme Abluft zu ergattern. Außerdem sind sie gern in unserer Nähe. Wir kuscheln uns auch in die Küche, weil es in der Übergangsjahreszeit der einzige durchgehend geheizte Raum im Haus ist.„Mama, ich glaube Nofretete ist ganz kalt“, sagt die Siebenjährige und schaut von ihrem Schreibheft auf. Also öffne ich die Küchentür, damit sie es etwas wärmer hat, aber sofort rennen die anderen Hennen in die Küche, um die Haferflocken unter dem…

  • Corona-Chronik

    Ach, was war das für ein schöner, schöner Tag gestern. Ich bin auf kleinen, watteweißen Wölkchen durch die Stunden geschwebt, beflügelt von euren liebevollen, mutmachenden Worten, Kommentaren und Nachrichten. Noch heute umhüllen sie mich wie ein leuchtender Kokon gegen die Unbill dieser verrückten Zeit. Normalerweise bin ich nicht gut darin, für mich allein etwas einzufordern. Aber vielleicht sollte ich das häufiger tun, wenn das Ergebnis so wundervoll ist. Den Sekt konnte ich mir direkt sparen, weil ich ganz angetrunken vor Glückseligkeit war und sonst auch nach dem Mittagessen schnarchend auf unser Sofa gekippt wäre.Die Siebenjährige und ich saßen vormittags einträchtig in der Küche und stießen mit unseren erfolgreich erbeuteten Croissants…

  • Corona-Chronik

    Ein ganzes Jahr

    Heute werde ich ein Jahr alt. Also, ich in meiner Identität als Bloggerin. Wobei mir das Wort Kolumnistin immer noch leichter über die Lippen geht. So jung habe ich mich schon lange nicht mehr gefühlt. Zum Geburtstag wünsche ich mir, dass alle, die regelmäßig mitlesen, heute mal mir etwas schreiben. Und sei es nur „Jodeldiplom“ oder „Winter is coming“ oder „42“.Ich lasse es mir heute gut gehen. Gleich verlässt der Fünfjährige vorfreudig das Haus. Er ist so glücklich, dass er endlich wieder in den Kindergarten darf, er würde am liebsten sogar Ostern hingehen. Anschließend werde ich mit meinem Wechselunterricht-Homeschooling-Kind zur Tanke flanieren und zur Feier des Tages Croissants kaufen. Auf…

  • Kinder

    Auf dünnem Eis

    „Warum haben Sie sich den militanten Klimaschützern angeschlossen?“, fragt die Journalistin den an den Baum geketteten jungen Mann, der einst unter dem Decknamen „Der Fünfjährige“ bekannt geworden war.„Ich glaube, alles begann mit diesem Film über den Klimawandel, den meine Mutter mir als Kind gezeigt hat. Danach gab es für mich kein zurück mehr.“„Wie alt waren Sie da?“„Fünf.“„Das ist aber sehr jung für dieses Thema.“„Ich glaube, meine Mutter hatte das so auch nicht geplant.“ Ich habe es schon wieder getan. Ich habe mein Kind traumatisiert. Die Siebenjährige war zu einem Geburtstag eingeladen gewesen und der Fünfjährige nicht (mal wieder). Friedolin und ich hatten viel zu tun (mal wieder) und der Fünfjährige…

  • unser Garten

    Ein Tag voller Sturm

    Klaus hat gestern eine ganz schöne Show abgezogen. Erst pfiff und heulte er durch unsere Fensterritzen. Dann jonglierte er mit Donner, Blitz und Sonnenschein. Schließlich zauberte er einen wunderbaren Regenbogen über das Dorf. Die Kinder betrachteten ihn ehrfürchtig von ihrem Fensterbrett.„Ist das die Regenbogenbrücke nach Asgard?“, flüsterte der Fünfjährige.„Möglich“, sagte ich.„Und wie kommen wir da drauf?“„Heimdall entscheidet, wer die Regenbogenbrücke betreten darf.“Plötzlich rannte die Siebenjährige los und holte das Telefon.„Wen willst du denn anrufen?“, fragte ich.„Unsere Nachbarn. Der Regenbogen endet genau in ihrem Haus“, sagte sie aufgeregt. „Die müssen mal nachschauen, ob auf ihrem Dachboden ein Kessel voll Gold liegt“, ergänzte sie und grinste. Natürlich suchte sie nur nach einem…

  • Mamaaa!!!

    HI-RN 1000

    In meinem Kopf herrscht ständig Ausnahmezustand. Gedanken, Ideen, To-Do-Listen, Gesprächsfetzen und Retrospektiven jagen sich pausenlos in irrem Tempo durch sämtliche Synapsen, verfolgt von einem überambitionierten Alleinunterhalter, der mit Songtexten, Werbeslogans, und Gedichten jongliert. Das mag vielleicht unterhaltsam sein, wenn man zufällig Oscar Wilde oder Heinz Erhard ist und in der Badewanne über die eigenen Bonmots lachen kann. In meinem Fall finde ich es eher lästig.Ich vergesse nie etwas. Ich erinnere mich zur Freude unserer Kinder an jedes Lied und jedes Gedicht meines Lebens. Ich erinnere mich daran, dass eierlegende Zahnkarpfen ihren Nachwuchs in Elefantenfußstapfenpfützen groß ziehen und Fischotter einen Lieblingskieselstein haben, den sie in einer Hautfalte unter ihrem Arm aufbewahren.…

  • Kinder

    Delikatessen

    „Mama, was sind Delikatessen?“Ich schaue vom Computer auf und versuche, meinen Focus auf die Frage der Siebenjährigen scharf zu stellen. Da mein inneres Wörterbuch aber gerade mit der Recherche von Lichtverschmutzung und deren Folgen für die heimische Fauna beschäftigt ist, nuschele ich nur:„Delikatessen sind Nahrungsmittel, die es bei uns nicht gibt“, und hoffe, dass das Thema damit beendet ist. Aber natürlich lässt sich mein investigatives Kind nicht abspeisen.„Was denn zum Beispiel?“Ich seufze und krame in meinem Gedächtnis nach Delikatessen, die mein Kind verstehen kann. Aber mir fallen auf die Schnelle nur 80-Jahre-James-Bond-Speisen ein, von denen sie entsetzt wäre. Hummer. Austern. Kaviar. Stopfleber. Bison Rohschinken. Und zerstückelte Hausmeister. Also rette ich…

  • Corona-Chronik

    Allein zu Haus

    Das Haus ist seltsam still. Zum ersten Mal seit dem 15. Dezember sind beide Kinder zeitgleich in Betreuung. Ich lausche auf Stimmen, die nicht da sind. Kein Lachen, kein Trampeln, kein wutentbrannter Aufschrei, kein Jaulen und Knuffen, kein „Mama, komm mal ganz schnell!“, kein „Ich verstehe die Aufgabe nicht“, kein „Ich habe Hunger“, kein „Ich bin fertig“, kein Kind, das unvermittelt zwischen Schreibtisch und Computer auftaucht, um sich 10 Minuten auf meinem Schoß vor der Welt zu verstecken. Ich fühle mich befreit und verloren zugleich. Vier Stunden kinderfrei… ich weiß gar nicht mehr, wie das geht. Auf dem Weg in Richtung Kaffee schaue ich misstrauisch unter den großen Schrank in…