Corona-Chronik

Allein zu Haus

Das Haus ist seltsam still. Zum ersten Mal seit dem 15. Dezember sind beide Kinder zeitgleich in Betreuung. Ich lausche auf Stimmen, die nicht da sind. Kein Lachen, kein Trampeln, kein wutentbrannter Aufschrei, kein Jaulen und Knuffen, kein „Mama, komm mal ganz schnell!“, kein „Ich verstehe die Aufgabe nicht“, kein „Ich habe Hunger“, kein „Ich bin fertig“, kein Kind, das unvermittelt zwischen Schreibtisch und Computer auftaucht, um sich 10 Minuten auf meinem Schoß vor der Welt zu verstecken. Ich fühle mich befreit und verloren zugleich. Vier Stunden kinderfrei… ich weiß gar nicht mehr, wie das geht. Auf dem Weg in Richtung Kaffee schaue ich misstrauisch unter den großen Schrank in der Diele, ob nicht vielleicht doch der Fünfjährige drunter liegt. Es ist sein Lieblingsplatz beim Versteckspielen und daher einer der wenigen staubfreien Orte im Haus. Nichts. Nur ein zerknülltes Maoam-Papier.
Natürlich hatte ich mir vorgenommen, heute vormittag möglichst viel zu schaffen. Schreiben, ein Interview geben, ganze Sätze mit Friedolin sprechen, Radiobeitrag aufnehmen (ohne Störgeräusche, insofern unser Nachbar nicht mal wieder den Trecker mit laufendem Motor unter meinem Fenster parkt), Wäsche, Kochen – das ist die Agenda für heute. Schließlich ist morgen wieder Homeschooling angesagt. Aber ich komme nicht vom Fleck. Ich sitze mit meinem Kaffee vorm Fenster und schaue in das Schneegestöber hinaus. Erschöpfung breitet sich warm und schwer in meinem Körper aus. Diese Erschöpfung, die in den letzten Monaten stets im Hintergrund lauerte, aber vom Robotermodus in Schach gehalten wurde. Vielleicht sollte ich mir irgendetwas fürchterlich Sentimentales auf youtube anschauen und einfach mal eine Runde weinen. Weinen hilft bei mir immer ganz gut, um aus dem vereisten Funktionieren auszubrechen und zurück in die Lebendigkeit zu finden. Um Druck abzulassen und mich zu erden. Merci-Werbung aus den 90er-Jahren, das ist es, was ich jetzt brauche.

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