• Gesellschaft

    Staub der Geschichte

    Wir spielen heute das Staubwisch-Spiel. Dazu verstecke ich schöne Knöpfe im Wohnzimmer an besonders staubigen Stellen und die Kinder machen sich mit Staubtüchern bewaffnet auf, um die Knöpfe zu finden. Manchmal ist auch ein Euro im Zimmer versteckt, an Stellen, die eigentlich immer vergessen werden. Die Kinder finden dieses Spiel ganz wunderbar. Und ich spare mir das Staubwischen. Die Idee dazu habe ich aus einem Buch, „Die Mädchenfamilie“ von Sydney Taylor. Ich habe dieses Buch als Kind geliebt und bestimmt 20 Mal gelesen. Es handelt von dem Leben der jüdischen Familie Pfäffling in New York um 1912. Wegen dieses Buches wollte ich als Kind zum Judentum konvertieren. Die Beschreibungen der…

  • Winter

    Wintersonnenwende

    Wintersonnenwende. Die Erde hält den Atem an. Tiefe Dunkelheit umhüllt uns vom Nachmittag bis weit in den Morgen hinein. In unserem Haus haben die Rauhnächte begonnen. Nach christlichem Brauch dauern sie vom 25. Dezember bis zum Dreikönigstag. Wir beginnen bereits mit der Thomasnacht am 20.12., dem Vorabend der Wintersonnenwende. Die Siebenjährige wanderte gestern Abend im Kerzenschein mit dem Räucherpfännchen durch unser Haus. Auf einem Stück Kohle verbrannten wir Beifuß, Wacholder, Fichtenharz und Johanniskraut, Boten des vergangenen Sommers. Der Fünfjährige fächerte mit seiner Schwanenfeder den Rauch in jede Ecke. Natürlich nicht ohne anzumerken, dass er auch bald groß genug sei, das Räucherpfännchen zu halten. Räuchern hilft, das Haus vom Ballast des…

  • Winter

    Durch das Windauge

    Die Kinder können sich nicht entscheiden, ob sie ihre Wunschzettel an das Christkind oder den Weihnachtsmann schicken sollen. Himmelsthür, eines der irdischen Weihnachtspostämter, ist nicht weit von uns. Dorthin könnten wir die Wunschzettel per Post schicken und auf Antwort vom Weihnachtsmann hoffen. Aber die Kinder sind dagegen.„Der Brief kommt doch eh nicht vom echten Weihnachtsmann“, sagt die Siebenjährige abgeklärt. Sie unterscheiden streng zwischen menschlichen Helfern und den echten Weihnachtsgestalten.Als am Abend des 5. Dezember der Nikolaus bei uns klingelte und von seinem voll beladenen Karren Äpfel und Lollis an die Kinder verteilte, waren sie sich sicher: Das war nur ein menschlicher Helfer. Erstens trug er einen Mundschutz und zweitens waren…

  • Winter

    Barbaras Rute

    „Mein Zweig blüht immer noch nicht!“, sagt der Fünfjährige und betrachtet ungehalten seinen Barbarazweig.„Die sollen ja auch erst an Weihnachten blühen, du Dulli“, sagt die Siebenjährige. „Mama, wie lange noch bis Weihnachten?“„24-20“, sage ich. Die Siebenjährige tut sich immer noch schwer mit Kopfrechnen, da muss ich jede Gelegenheit nutzen.„Also, wie lange noch?“, fragt der Fünfjährige.„Einen Tag weniger als gestern“, sagt die Siebenjährige und verlässt den Raum.In diesem Jahr haben wir uns mit der grünen Kraft von Birne, Pfirsich, Apfel und schwarzer Johannisbeere eine Vorahnung von Frühling ins warme Haus geholt. Die Kinder haben sich Zweige von ihren Taufbäumen geschnitten, Friedolin haben wir auch einen Zweig mitgebracht. Er hat es nicht…

  • Winter

    Adventmorgen

    Im Advent hält jeder Morgen ein kleines Wunder bereit. Die Kinder sitzen meist schon hellwach und aufgeregt flüsternd in ihren Betten, wenn ich in tiefer Dunkelheit verschlafen in ihr Zimmer komme. Sie rätseln, welche Überraschung heute in ihren Adventskalendern auf sie wartet. Dann springen sie fröhlich aus den Betten und machen sich auf die Suche nach unserem frechen Weihnachtself. Den „Elf on the Shelf“ haben wir von unserer Nachbarin geschenkt bekommen. Er wandert jede Nacht durch unser Haus und stellt allerlei Unsinn an. Mal sitzt er am Morgen auf dem Nikolausteller der Kinder mit einer Salzbrezel in der Hand, mal ist er das Treppengeländer runter gerutscht und hat dabei einen…

  • Kinder

    Hier sieht’s aus wie im Kindergarten

    Der Sechsjährige legt einen Haufen schmutzige Kiesel auf den Telefontisch im Flur.„Wieso legst du die da hin?“, fragt Friedolin.„Na, zur Deko.“„Und was hast du damit vor?“Der Sechsjährige schaut seinen Vater verständnislos an.„Nix. Die liegen einfach da. Zur Verschönerung.“Womit er den Sinn von Dekoartikeln ja ziemlich gut auf den Punkt gebracht hat. Ich betrachte die schmutzigen Kiesel und frage mich, ob sie für die diesjährige Herbstdeko wohl ausreichen. Mit dem Dekofeuerwerk der anderen Frauen des Dorfes kann ich ohnehin nicht mithalten. Mit all den kunstvollen Gestecken, ästhetischen Kränzen und motivierenden Sprüchetafeln. „UNSER HAUS IST VOLLER LIEBE, FREUDE UND LEBEN.“Unser Haus sieht immer aus, als hätte der Wind einen Haufen knallbunten Müll…

  • Gesellschaft,  Kinder

    Wahlkampf

    Die Achtjährige zeigt auf ein Wahlplakat von Armin Laschet und sagt:„Ist das der Mann, der Angela Merkel werden will?“„Naja, also, ganz so…“, sagt Friedolin.„Darf der das denn überhaupt“, fragt der Sechsjährige.„Was genau?“„Na, Kanzlerin werden?“„Der wird ja wenn Kanzler und nicht Kanzlerin.“„Wusste gar nicht, dass auch Männer Kanzlerin werden dürfen.“Da sag noch mal einer, gender-gerechte Sprache sei nicht wichtig. Wir sind auf dem Weg zum Markt in unserer kleinen Kreisstadt und dort hängen die Parteien nicht nur rum, sondern sich auch richtig rein. Ein freundlich lächelnder Kandidat der CDU kommt am Obststand auf uns zu und drückt der Achtjährigen eine Tüte Chips mit CDU-Logo in die Hand. „Könnt ihr ja heute…

  • Kinder

    Einschulungsfrisur

    Der Sechsjährige hat sich zur Feier seiner Einschulung die Haare schneiden lassen. Zum ersten Mal vom Profi und nicht von seiner stümperhaften Mama. Jetzt steht er vorm Spiegel und erkennt sich selbst nicht mehr.„Mama, da ist so ein Typ im Spiegel und der macht immer das gleiche wie ich. Ich so … und dann er so ….“Dann probiert er Posen wie ein zu heiß gewaschener Robert De Niro.„Du laberst mich an? Kann das sein, dass du mich meinst? Du redest mit mir?“Er ist gar nicht mehr vom Spiegel wegzukriegen.„Weißt du, es gab mal einen jungen Mann namens Narziss, der war so sehr in sein Spiegelbild vernarrt, dass ihn ein Gott…

  • Kinder

    Der Shopping King

    Der Fünfjährige ist im Shopping Fieber. Weil die Infektionszahlen niedrig sind, darf er zum ersten Mal seit sechs Monaten mit zum Großeinkauf. Das ist eine lange Zeitspanne in seinem Alter, daher hat er scheinbar alles aus der wunderbaren Welt der Supermärkte vergessen.„Papa, warum steckst du denn Geld in den Einkaufswagen? Willst du den etwa auch kaufen?“Schon am Eingang ist er außer sich.„Guck mal, so viele Gurken. Wir müssen unbedingt Gurken kaufen!!!“„Ok.“„Nee, WASSERMELONEN! Boah, das ist ja ein richtiger Wassermelonen-Berg“„Die hier?“, fragt Friedolin, was definitiv ein Fehler ist. Der Fünfjährige hüpft auf und ab wie ein Cartoon-Eichhörnchen:„Nee, warte mal, ich muss die schönste aussuchen. Die, nein, die, oder die, nee, die…

  • Kinder

    Wackelzahnpubertät

    Der Fünfjährige mag keine Veränderungen. Er ignoriert so gut es geht, dass er im Sommer in die Schule kommt. Klar, möchte er gern Lesen, Schreiben und Rechnen lernen, aber halt lieber weiterhin im Kindergarten. Dabei ist er selbst gerade derjenige, der sich im Zeitraffer verändert. Er schießt in die Höhe, die stampfigen Kinderbeine strecken sich, sein Gesicht wird schmaler und seine Persönlichkeit macht jeden Tag eine neue Facette durch. Außerdem möchte er von nun an bitte sehr alles selbst entscheiden, denn er ist ja jetzt groß, und überhaupt überlegt er, in die Bushaltestelle zu ziehen.„Da ist wenigstens was los und ich muss nicht ständig tun, was andere mir sagen.“„Zieh doch…