• Kinder

    Geburtstagsinflation

    Jeden Tag Geburtstag, je-den Tag Ge-bur-tstag. Wenn man den Satz spricht und dazu jede einzelne Wortsilbe trommelt, ergibt das einen treibenden Rhythmus. Das haben unsere Kinder vor zwei Jahren bei ihrem Trommel-Projekt gelernt und absolut verinnerlicht. Zur Zeit trommeln sie täglich zum Geburtstag. Erst hatte der kleine Drache Moni Geburtstag, dann der Puppenjunge Meon, dann wurden die Küken eine Woche alt und am Tag darauf hatte der Fünfjährige eine Feuerwanze gefunden, die zufälligerweise auch gerade Geburtstag hatte. Für Geburtstag muss die Picknickdecke ausgebreitet, das Puppengeschirr verteilt und mit Wiesenblüten geschmückt und natürlich gesungen und Topfschlagen gespielt werden. Dann wird ein Reinführkind ausgewählt, welches das Geburtstagskind (Drache/Puppe/Wanze) zu Tisch geleiten darf.…

  • Kinder

    Küssen ist ekelhaft

    Küssen ist ekelhaft. Das ergab eine repräsentative Umfrage der unter 13-Jährigen in diesem Haus. Die Tatsache, dass beim Küssen Speichel den Besitzer wechselt, wurde als besonders widerlich eingeordnet.„Spuckt man dann hinterher aus?“, fragt Kind Nr. 1, das hier nicht weiter spezifiziert werden soll, weil das Thema ja absolut oberpeinlich ist.„Nee, man schluckt das einfach runter“, sage ich.Alle Anwesenden machen Würgegeräusche.„Und man steckt sich wirklich gegenseitig die Zunge in den Mund?“„Japp.“Entsetzte Blicke.„Dann lässt man den anderen ja in seinen Körper rein.“„Das ist quasi Sinn der Sache. Und eine Art Vorübung.“„Für was denn?“„Das besprechen wir ein andermal.“„Ich weiß gar nicht, was daran so schlimm sein soll“, sagt die Siebenjährige, die durchaus namentlich…

  • Kinder

    Robert De Narziss

    Der Fünfjährige erkennt sich selbst nicht mehr. Er hat sich die Haare gebürstet. Sogar mit Seitenscheitel. Er steht vor dem Spiegel im Flur und lacht sich kaputt. Dann ruft er:„Mama, da ist so ein Typ im Spiegel und der macht immer das gleiche wie ich. Ich so … und dann er so ….“Dann probiert er Posen wie ein zu heiß gewaschener Robert De Niro.„Du laberst mich an? Kann das sein, dass du mich meinst? Du redest mit mir?“Zum Glück macht er sich über seinen Doppelgänger lustig und himmelt ihn nicht an. Sonst würde ihn wohlmöglich irgendein durchgeknallter Gott in eine Narzisse verwandeln. Die könnte dann allerdings die Siebenjährige für ihr…

  • Kinder

    Hüte dich!

    Die Siebenjährige muss sich gerade dreimal pro Tag umziehen. Das hat nichts mit modischer Unentschiedenheit zu tun. Sie hütet sich lediglich davor, in den Bach zu fallen. Das geht natürlich nur, indem sie über den Bach springt. An der breitesten Stelle. Wo die Brennnesseln wachsen. Außerdem hütet sie sich davor, in den brackigen Tümpel am Feldrand zu fallen. Das geht natürlich nur, indem sie sich an der steilsten Stelle entlang hangelt. Sie hat von Ronja Räubertochter gelernt, dass Kinder sich vor Gefahren nur dort hüten können, wo sie auch wirklich anzutreffen sind. Denn vor etwas, was gar nicht da ist, kann man sich nicht hüten.Friedolin merkte an, dass sie vielleicht…

  • Kinder

    „Na, wie war’s?“

    „Ist das eine Krähe oder eine Elster“, fragt Friedolin und schaut mit zusammen gekniffenen Augen in Richtung Ahorn.„Das ist eine Krähe, Papa“, sagt der Fünfjährige.„Du brauchst echt mal eine Brille“, sage ich, aber Friedolin schüttelt entrüstet den Kopf.„Da war ein Ast vor, deshalb konnte ich das nicht richtig erkennen.“Friedolin hat es nicht so mit Vögeln. Wenn unser kleiner Teich zur Vogel-Badeanstalt wird, ruft er gern: „Guckt mal Kinder, der Spatz!“ Dann rollen die Kinder mit den Augen und korrigieren: „Das ist ein Buchfink, Papa.“ Für ihn ist jeder Vogel, der klein und annähernd braun ist, ein Spatz (auch Zaunkönige, Heckenbraunellen und Finken). Amseln immerhin erkennt er. Zumindest die Männchen. Er…

  • Kinder

    Auf dünnem Eis

    „Warum haben Sie sich den militanten Klimaschützern angeschlossen?“, fragt die Journalistin den an den Baum geketteten jungen Mann, der einst unter dem Decknamen „Der Fünfjährige“ bekannt geworden war.„Ich glaube, alles begann mit diesem Film über den Klimawandel, den meine Mutter mir als Kind gezeigt hat. Danach gab es für mich kein zurück mehr.“„Wie alt waren Sie da?“„Fünf.“„Das ist aber sehr jung für dieses Thema.“„Ich glaube, meine Mutter hatte das so auch nicht geplant.“ Ich habe es schon wieder getan. Ich habe mein Kind traumatisiert. Die Siebenjährige war zu einem Geburtstag eingeladen gewesen und der Fünfjährige nicht (mal wieder). Friedolin und ich hatten viel zu tun (mal wieder) und der Fünfjährige…

  • Kinder

    Delikatessen

    „Mama, was sind Delikatessen?“Ich schaue vom Computer auf und versuche, meinen Focus auf die Frage der Siebenjährigen scharf zu stellen. Da mein inneres Wörterbuch aber gerade mit der Recherche von Lichtverschmutzung und deren Folgen für die heimische Fauna beschäftigt ist, nuschele ich nur:„Delikatessen sind Nahrungsmittel, die es bei uns nicht gibt“, und hoffe, dass das Thema damit beendet ist. Aber natürlich lässt sich mein investigatives Kind nicht abspeisen.„Was denn zum Beispiel?“Ich seufze und krame in meinem Gedächtnis nach Delikatessen, die mein Kind verstehen kann. Aber mir fallen auf die Schnelle nur 80-Jahre-James-Bond-Speisen ein, von denen sie entsetzt wäre. Hummer. Austern. Kaviar. Stopfleber. Bison Rohschinken. Und zerstückelte Hausmeister. Also rette ich…

  • Kinder

    Abseits des Weges

    „Geschichten ohne Handy sind irgendwie spannender“, sagt die Siebenjährige und blickt von ihrem Fünf-Freunde-Buch auf.„Wie meinst du das?“, frage ich.„Die sitzen gerade im Sturm auf einer Insel fest“, erklärt sie. „Wenn sie ein Handy gehabt hätten, hätten sie ja zuhause anrufen können, damit die Küstenwache sie abholt. Aber dann hätten sie die ganzen Abenteuer nicht erlebt.“Da habe ich noch nie drüber nachgedacht. Aber natürlich hat mein cleveres Kind absolut Recht. Was wäre passiert, wenn Robinson Crusoe ein GPS-fähiges Smartphone gehabt hätte? Oder Hänsel und Gretel? Die Liste ließe sich natürlich endlos fortsetzen.„Wie ist das denn in den neueren Büchern?“, frage ich sie.„Da sagen die dann immer, dass sie ihr Handy…

  • Kinder

    Pick your battles!

    „Wie spricht denn ein Roboter?“, fragt Friedolin die Kinder beim Abendessen. Die Siebenjährige öffnet den Mund, heraus kommt ein bombastischer Rülpser. Erschrocken schlägt sie die Hände vor den Mund. Alle starren sie an. Dann explodieren wir in einem kollektiven Lachanfall. Der Fünfjährige fällt vor Lachen vom Stuhl und die Siebenjährige auf der Küchenbank um.„Wer hätte gedacht, dass aus einem so zarten Mädchen ein so lauter Rülpser kommen kann“, sage ich und wische mir eine Träne aus dem Auge.„Klang doch astrein nach Roboter“, sagt Friedolin und wir kichern wieder los.Ich persönlich finde es ja immer zum Piepen, wenn kleine Kinder unabsichtlich rülpsen. Neulich war jedoch ein Gastkind zum Essen bei uns…

  • Kinder

    Überall Banditen!

    Die Siebenjährige muss sich vor Wegelagerern in Acht nehmen. Ständig lauert ihr jemand aus der Familie auf und nimmt sie mit: „Was ist 7×8?“ oder „Was ist 35:5?“ unter Beschuss. Ich als ihre Interimslehrerin habe den Banditen zwar schon mehrfach gedroht, dass sie die Stadt verlassen müssten, wenn sie noch einmal mit einer Zahlensalve hinter einer Tür lauern. Friedolin und meine Mutter sind aber unbelehrbar. Dieses Dauerfeuer hilft nun wirklich nicht, die Matheblockade der Siebenjährigen zu lösen. Zum Glück ist das Kind kreativ und hat auf die Homeschooling Agenda kurzerhand das Fach: „Angewandter Stoizismus“ gesetzt.Als meine Mutter ihr im Kaninchenstall auflauert und fragt: „Wenn jedes Kaninchen zwei Möhren bekommt, wie…