Kinder

Kunstkritik am Kind

Der Fünfjährige macht jetzt in Bildende Kunst. Seine derzeitige Schaffensperiode heißt: Vor der zweiten Welle. Es ist viel Tesafilm involviert. Connoisseure performativer Gegenwartskunst konnten kürzlich Zeuge werden, wie in einem scheinbar zerstörerischen Akt eine langstielige Sukkulente in ihre Einzelteile zerlegt und mit einem Küchenmesser ihrer schützenden Außenhaut beraubt wurde. Dabei ging der Künstler ironisch auf das geltende Abstandsgebot ein, indem er als Teil der Performance Pflanzenteile in einem Umkreis von exakt anderthalb Metern von sich schleuderte. Anschließend applizierte er das organische Material mit Tesafilm auf einem DIN-A4 Blatt. In der Transformation von Natur zu Kultur wurde das Spannungsfeld zwischen Chaos und Norm erfahrbar. Der Tesafilm, als Inbegriff der Wegwerfgesellschaft, beraubt die bereits zerfallene Sukkulente ihrer organischen Haptik und stellt damit eine moderne Interpretation des Vanitas-Motives dar. Tesafilm und DIN-Norm als Symbole überdauernder irdischer Existenz stehen in starkem Kontrast zu der Vergänglichkeit des organischen Materials. Im Anschluss hängte der Künstler dies Memento Mori an den Kühlschrank, wo die Betrachter in den kommenden Wochen Zeuge sein dürfen, wie das Kunstwerk langsam verschimmelt.

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