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Übergang im Stillstand
Eigentlich hätte er der Große sein sollen und jetzt ist er doch wieder nur der Kleine.Im Kindergarten wäre der Fünfjährige zur Zeit ein Vorschulkind, einer von den Großen mit besonderen Rechten und Pflichten. Er wäre ein Vorbild für die Kleineren, dürfte allein zum Spielen auf das Außengelände und an besonderen Ausflügen für die „Schulis“ teilnehmen: in die Stadtbibliothek, zu Schnuppertagen in die Grundschule, ins Kindertheater. Das alles findet wegen Corona nicht statt.Dieses Jahr wäre für den Fünfjährigen ein wichtiges Jahr gewesen. Ein Jahr des Übergangs vom Kindergartenkind zum Schulkind. Statt dessen ist er seit dem 16. Dezember zu Hause. Im Schatten von zwei Erwachsenen und einer großen Schwester.Zu Hause ist…
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Ausschlafen
8,5 Stunden Schlaf braucht der Mensch. Und nicht 7,5 wie bisher angenommen. Zumindest, wenn man den Forschungsergebnissen verschiedener Schlafstudien glaubt, die das Schlafverhalten ihrer Probanden zwischen April 2019 und 2020 verglichen hatten. Die Probanden hatten ihren Nachtschlaf im Lockdown ohne feste Termine und Zeitdruck nach und nach auf 8,5 Stunden verlängert. War für mich jetzt keine Überraschung. Ich brauche sogar eher 9 Stunden. Dann starte ich wirklich entspannt und glücklich in den Tag. Denn diese luxuriöse neunte Stunde ist für mich die Zeit des erinnerten Träumens, vor allem im Halbschlaf in den späten Morgenstunden sind es wunderbare Träume, die mich warm und wohlig aufwachen lassen. Meistens bekomme ich aber höchstens…
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Kinder im Lockdown
„Warum werde ich eigentlich nie zum Geburtstag eingeladen?“, fragt der Fünfjährige beim Abendessen.„Du bist doch schon auf ganz vielen Geburtstagen gewesen“, sage ich, doch er schiebt nur missmutig das Brot auf seinem Teller hin und her. Dann fällt mir ein: seine letzte Geburtstagsfeier liegt dank Corona über ein Jahr zurück.Als ich ihn an Weihnachten fragte, ob er traurig darüber sei, dass wir die Großeltern nun doch nicht sehen können, sagte er leise: „Ach, die sehen wir doch eh nicht mehr.“Vor ein paar Tagen trafen wir eine Familie zufällig im Wald, unsere Kinder waren früher gut miteinander befreundet gewesen, aber sie sind seit Corona sehr zurück gezogen. Die Kinder der Familie…
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Die militante Oma
Meine Mutter ist auf kaltem Entzug. Drei Wochen allein in freiwilliger Quarantäne in der Stadt, drei Wochen ohne Enkelkinder. Die Substitutionstherapie aus Schokotrüffeln und Eierlikör schlägt nicht mehr an. Sie entwickelt bedenkliche Entzugserscheinungen. Täglich schickt sie uns Selfies von ihren selbstgebastelten Atemschutzmasken, mit denen sie andere Kunden im Supermarkt verschreckt. Die Strategie geht auf. Im Gegensatz zu uns hat sie immer Mehl und Klopapier. Vielleicht liegt es auch an ihrem ausgeprägten Heuschnupfen. Sobald sie niesend und maskiert den Supermarkt betritt, leert sich das Geschäft schlagartig. Sollten die Supermärkte in Hannover pleite machen, meine Mutter ist Schuld. Als sie anfängt, die Enkelkinder ihrer Nachbarn zu stalken, ziehen wir die Reißleine. Denn…