Corona-Chronik,  Mamaaa!!!

Frankensteins Mama

Ich muss zum Schönheitschirurgen. Der soll mir vier zusätzliche Ohren und noch zwei Paar Hände annähen. Drei Paar Hände wären sicherlich auch praktisch, dann könnte ich gleichzeitig schreiben, Wäsche aufhängen und mir die Ohren zuhalten. Wobei ich dann ja noch zwei Paar Ohren offen hätte, aber keine weiteren Hände zum Zuhalten. Noch mehr Hände wären jedoch ungünstig, weil ich so nicht mehr auf der Seite schlafen könnte. Und die Kinder hätten Angst vor mir, wenn ich wie Frankensteins Monster aussähe. Sie würden sich nicht mehr in meine Nähe trauen, was die ganzen Hände und Ohren überflüssig machte. Egal wie ich es drehe und wende: es ist ein Teufelskreis. Ich weiß nicht, wie oft ich seit Corona den Satz sage:
„Der Reihe nach, ich kann nicht allen gleichzeitig zuhören.“
Meistens zieht Friedolin den Kürzeren.
„Du bist groß, du kannst warten“, sage ich dann immer. Er sieht das natürlich anders. Seine Impulskontrolle bezüglich des Zurückhaltens seiner Meinung nach dringender Mitteilungen ist ähnlich funktional wie die des Vierjährigen. Der ja wiederum die Impulskontrolle von Donald Trump besitzt. Bei uns ist ständig Pressekonferenz im Weißen Haus. Die meistens damit endet, das ich den Interviewpartnern das Wort entziehe und einen hektischen Abgang hinlege. Gerade sind wir alle ein bisschen Trump. In diesen Momenten kommt mir oft ein Satz meiner Hebamme in den Sinn. Unser Sohn war damals gerade einen Tag alt und ich versuchte gleichzeitig, der verunsicherten Zweijährigen ein Bilderbuch vorzulesen, das Neugeborene zu stillen und eine Position zu finden, die mir selbst kurz nach der Geburt nicht allzu große Schmerzen bereitete. Sie sagte: „Deine Kinder müssen satt, geliebt und sicher sein. Alles andere ist Bonus.“ Daran muss ich seit Corona oft denken. Wenn ich wieder an mir zweifele, ob die Kinder genug lernen, lachen, singen, Sport treiben, Aufmerksamkeit bekommen oder gesund essen. Ob ich gerade in all meiner Multitasking-Überforderung die Mutter sein kann, die sie verdient haben. Doch dann liege ich spätabends erschöpft im Bett, zwei satte, zufriedene, warme, gleichmäßig atmende, duftende Kinder im Arm haltend, die vertrauensvoll an meiner Seite schlummern und denke: Das ist es, was zählt. Alles andere ist Bonus.

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