Corona-Chronik,  Paar

Mein Mann, der Zombie

Friedolin ist deutlich besser für Isolation gemacht als ich. Ihm reichen: „Steckst du noch ein Toast rein?“, „Besetzt!“ und „Willst du heute Abend noch was gucken?“ als zwischenmenschlicher Austausch am Tag. Wobei wir letzteres nur noch auf Englisch sagen. Sonst quengeln die Kinder, dass sie mit gucken wollen. Aber da sie ja schon von Sesamstraße Schnappatmung kriegen, sind deprimierende Netflix-Serien vermutlich eher nicht die geeignete Abendunterhaltung für sie. Für mich allerdings auch nicht. Seit Corona kann ich so was nicht mehr gucken. Ich sehe keinen Sinn darin, die Realität ist gerade deprimierend genug. Friedolin versteht das nicht:
„Du hast doch sogar beim Stillen The Walking Dead geguckt.“
„Aber mit den Zombies konnte ich mich als junge Mutter durchaus identifizieren.“
Vor allem, wenn ich morgens in den Spiegel gucke. Wir sind ein Zombie-Haushalt. Friedolin bringt an manchen Tagen nicht mehr Laute zustande als grunzende Untote. Schon vor Corona musste ich ihn regelmäßig daran erinnern, dass man Menschen, die man liebt, auch mal anrufen kann. Oder noch verrückter, sich sogar mit ihnen verabreden darf. Seit Corona hat er endlich seine Ruhe vor meinen wohlmeinenden Sozial-Interventionen. Aber mir fehlt der Austausch. Das Dampfablassen, kollektive Jammern und befreiende Lachen mit meinen Freunden. Zum Telefonieren habe ich tagsüber keine Luft und abends bin ich zu müde. Seit der Zeitumstellung ist es noch schlimmer. Die Kinder machen die Sommerzeit immer nur zur Hälfte mit:
Sie schlafen abends später, dafür stehen sie morgens früher auf.
Wenn sie endlich schlafen, rede ich vor Müdigkeit so verwaschen, als wäre ich besoffen. Ich werde immer dünnhäutiger unter diesem Multitasking-Druck. Friedolin kann einfach besser ausblenden, wenn die Kinder heulen, verdursten oder aus giftigen Pflanzen Suppe im Garten kochen.
„Ich muss halt arbeiten“, ist seine Erklärung dazu.
„Und ich nicht oder was?“
Also schleiche ich mich einmal am Tag davon und laufe die Straßen entlang, bis ich eine Nachbarin im Garten entdecke. Oft folgen mir die Kinder wie zu heiß gewaschene Schatten, aber ich ignoriere sie. Dann plaudere ich solange coronakonform über den Gartenzaun, bis ich genug Östrogene einatmet habe, um zu meinem liebenswerten Zombie zurückzukehren.

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