Es geht mir gut
Mir fehlt nichts. Wirklich nicht. Ich hab zwar gestern beim Abgießen der Kartoffeln kurz die Nase in den aufsteigenden Dampf gehalten und mir vorgestellt, ich sei in der Sauna. Aber das war eine Ausnahme. Eventuell habe ich auch neulich in der Schlange im Supermarkt, als neben mir eine der Mitarbeiterin ein Regal mit Chlorreiniger auswischte, kurz die Augen geschlossen und mir vorgestellt, ich stehe im Freibad für Pommes an. Und als Friedolin mir einen Kaffee brachte, habe ich ihm heimlich Trinkgeld in die Hosentasche gesteckt. Aber eigentlich komme immer noch total gut klar mit den Beschränkungen. Nein, ehrlich. Wir haben das ja auch genossen. Dieses zurück gezogene Jahr, in dem wir endlich mal Zeit für uns hatten. Ich bin ja ohnehin eher so die Einzelgängerin. Dann fragte mich die Siebenjährige neulich, warum ich heulend vor meinem Laptop sitze. Kurz wollte ich antworten: „Weil mein Text so unterirdisch schlecht ist.“ Aber dann entschied ich mich doch für die Wahrheit und sagte: „Weil mich die Kaugummi-Werbung so gerührt hat.“ Merci-Werbung war gestern, ab jetzt gucke ich EXTRA Gum: “For When It’s Time”, wenn ich meine verschütteten Emotionen freilegen möchte. Ein Werbespot wie ein Versprechen, in dem in einer hoffentlich nicht allzu fernen Zukunft verwahrloste Menschen aus ihren höhlenartigen Wohnungen an die Sonne kriechen und sich im Park küssend in die Arme fallen, weil der Lockdown endlich vorbei ist und sie zum Glück gerade eine Packung Kaugummi auf Tasche haben. Auch zu finden unter „gum commercial that will make you cry.“ Schön zu wissen, dass ich nicht allein bin.
Ein Kommentar
Mina
Niemand kann die aktuelle kollektive Gefühlslage (wenn es so etwas geben sollte) so schön ironisch und präzise beschreiben!
Du bist nicht allein.