Den Sommer bewahren
Meine Vorräte neigen sich dem Ende entgegen. Die Kinder haben ihre Vorliebe für Tee entdeckt, seitdem leeren sich meine Schraubgläser rapide. Ihre Lieblingsmischung haben sie selbst zusammengestellt: Pfefferminze, Erdbeerblätter, Rosmarin, Ringelblumenblüten und getrocknete Walderdbeeren. Sie hatten sich durch meinen Trockenschrank geschnuppert, raschelnde Blätter befühlt und natürlich auch nach Schönheit der Blüten entschieden. Der Tee wärmt nicht nur, er fördert auch die Konzentration und zaubert den Sommer auf den Küchentisch. Wir haben eine Teekanne aus Glas, darin sehen die schwimmenden Blüten besonders schön aus. Bisher hatten die Kinder sich allem verweigert, was wärmer als Leitungswasser war. Sie sind Warmblüter, wenn andere Kinder Wolle tragen, hüpfen sie noch im T-Shirt durch die Gegend. Aber in diesem Corona-Winter hat sich vieles verändert. Es fällt immer schwerer, der äußeren Kälte und Leere Einhalt zu gebieten. Plötzlich freuen sie sich über eine Wärmflasche zum Einschlafen. Oder noch besser, Wärmetiere mit Hirse-Lavendel-Füllung. Die hatten uns das Ehepaar Kreye von der Buchkunstwerkstatt für die Kinder geschenkt. Zuerst spielten die Kinder nur damit, weil man zum Aufwärmen eigentlich eine Mikrowelle oder einen Elektroherd braucht, was wir beides nicht besitzen. Aber dann haben wir herausgefunden, dass man sie auch auf der Ofenbank aufwärmen kann. Dadurch nehmen sie eine ganz sanfte Wärme auf und man hat wirklich das Gefühl, ein lebendiges Tier im Arm zu halten. Damit schlafen die Kinder sanft und entspannt ein. Tagsüber läuft die Siebenjährige nur noch mit dem Poncho ihrer Urgroßmutter durchs Haus oder verkriecht sich beim Lesen darin wie in einem Zelt. Wärme, Hauptsache Wärme.
Wenn mir innerlich kalt wird, schnuppere ich manchmal einfach so an meinen getrockneten Kräutern. Dann schließe ich die Augen und stelle mir vor, dass ich im Sonnenschein unter unserem blühenden Ahornbaum sitze. Die Buchfinken zwitschern, die Bienen summen, es riecht nach warmen Gras und römischer Kamille. Ich höre eine Kinderschar lachend durch unseren Garten toben und in der Ferne den Trecker unseres Nachbarn, der gerade vom Feld kommt. Und Corona ist nur eine Erinnerung.