Corona-Chronik

Ich hab ja sonst nix zu tun

Das schlimmste an unserer persönlichen Corona-Erfahrung? Nächtliche Hustenattacken bis zur Atemnot? Ich bitte euch. Schweißausbrüche und Schüttelfrost? Peanuts. Brennende Halsschmerzen? Nope. Wirklich schlimm fand ich es, mich mit vier kranken Familienmitgliedern völlig hilflos zu fühlen. Weil es so schwierig ist, hier auf dem Land an PCR-Tests zu kommen, weil jede Hotline andere Auskünfte erteilt und man für verantwortungsbewusstes Handeln auch noch angemotzt wird.

Tag 5 Quarantäne Friedolin, posiviter Schnelltest Achtjährige.

Corona-Hotline Nr 1: „Sie müssen auch mit ihrem Kind auf jeden Fall einen PCR-Test machen.“

Montag morgen, MVZ, Nachbarstadt, nach 15 Min. Warteschleife: „Sie bekommen für ihre Tochter nur einen PCR-Test, wenn sie ein positives Testergebnis aus einem offiziellen Testzentrum haben.“
Ich: „Auch wenn der Vater schon PCR-positiv getestet ist und das Kind starke Symptome hat?“
Praxis: „Ja, wenn sie den Test haben, melden sie sich wieder und machen einen Termin in der Infektsprechstunde.“
Ich: „Warum braucht meine Tochter denn überhaupt einen PCR-Test?“
Praxis: „Wegen der Quarantäne-Anordnung und für die Schule.“
Ich: „Aber wir sind doch eh schon seit fünf Tagen in Quarantäne, weil mein Mann Corona hat.“
Praxis (ungehalten): „Ihre Kinder sind doch geimpft, da hätten sie sie laut Gesetz gar nicht zu Hause lassen dürfen.“
Ich: „Das schulische Umfeld ist aber froh, dass wir nicht noch alle in der Klasse gleich mit anstecken. Unsere Tochter hat schon seit Tagen Symptome, obwohl der Schnelltest negativ war.“
Praxis: „Aber sie handeln gegen das Gesetz.“
Ich: „Das heißt, ich muss das wirklich kranke Kind zweimal aus dem Bett zerren, ins Auto stecken, um es kilometerweit übers Land in irgendwelche Testzentren zu schleppen?“
Praxis: „So ist es.“

Also fünf Kilometer zum Testzentrum hin, Schnelltest: positiv, fünf Kilometer zurück, Warteschleife für die Infektsprechstunde, Warteschleife, Warteschleife, schließlich: „Sie rufen außerhalb unserer Sprechzeiten an.“
Klinik in Hildesheim: „Wir haben zur Zeit keine freien Termine für einen PCR-Test.“

Corona-Hotline Nr 2: „Ein PCR-Test ist gar nicht mehr verpflichtend.“

Also lassen wir das kranke Kind sich erstmal im Bett ausruhen. Das letzte Mal hockte ich trotz Termin in der Infektsprechstunde mit einem fiebrigen Sechsjährigen auf dem Schoß und Temperaturen um den Gefrierpunkt eine halbe Stunde auf der Straße mit einem Pieper in der Hand, der uns rufen sollte, sobald wir die Praxis betreten durften. Was ja infektologisch Sinn macht, aber trotzdem nicht beim Genesen hilft.

Mittwoch: Die Schule teilt mit, dass die Achtjährige auf jeden Fall einen PCR-Test braucht, um ihren Genesenen-Status zu bekommen. Also wieder ab ins Auto, 25 Minuten Fahrt zu einem Testzentrum, das Bürger- und PCR-Tests anbietet.
Bürgertest Achtjährige: negativ. Kein PCR-Test möglich.
Bürgertest Sechsjähriger: positiv. PCR-Test ebenfalls.
Ich: sehr negativ, in jeder Hinsicht.
Die Achtjährige freudestrahlend: „Toll, dann darf ich endlich wieder in die Schule!“
Ich: „Glaub schon, Symptombeginn war ja vor über einer Woche, du bist geimpft und frei getestet, los gehts.“
Schule: „Nein, sie darf sich erst sieben Tage nach offiziellem PCR-Test freitesten.“
Ich: „@*#%!$“ Aber wieso steht dann in den Richtlinien des Landes Niedersachsen: Bei Geimpften sieben Tage nach Symptombeginn?“
Schule: „Wir sind nicht das Gesundheitsamt, wir können keinen Symptombeginn nachvollziehen. So sind die Regeln.“
Ich: „Woher hätte ich diese Regeln denn kennen sollen, wenn einem keiner etwas sagt?“
Achtjährige: heult.

Freitag: Ich habe seit zwei Tagen Symptome und mein heimischer Schnelltest ist positiv. Weil Friedolin das Auto braucht und ich den immer noch kranken Sechsjährigen nicht so lange allein lassen will, rufe ich im MVZ in der Nachbarstadt an und sage: „Ich bin Corona positiv und habe Symptome und hätte gern einen Termin in der Infektsprechstunde für einen PCR-Test.“
Praxis: „Haben sie einen offiziellen Bürgertest?“
Ich: „Äh, ja (leise beiseite: gleich.)“
Praxis: „Dann kommen sie um 12.30 Uhr.“

Also 5 Kilometer ins Schnelltestzentrum, Abstrich aus der Nase: negativ.
Ich, den Tränen nahe: „Hören, sie, ich bin auf jeden Fall positiv, meine ganze Familie hat Corona, ich hab Symptome, mein Test zu Hause war positiv, können sie bitte bitte nochmal im Rachen testen, sonst geht mein PCR-Test-Termin verloren und morgen ist Wochenende, dann hat die Praxis zu und ich hab gleich kein Auto mehr, um noch woanders hin zu fahren, und ich muss in einer Woche wirklich ganz dringend wieder arbeiten können…“
Testzentrumsmann (verunsichert): „Also, eigentlich darf ich das nicht. Sie haben ja schon einen Test.“
Ich: „Bitte, bitte, bitte. Sonst verlängert sich die Quarantäne nochmal.“
Testzentrumsmann: „Na gut.“
Zweites Testergebnis Positiv.
Ich: „Sie sind mein Held.“
Testzentrumsmann: „Ähh….?“
PCR-Test: Positiv.

Schule: „Wir brauchen für ihre Tochter dann noch einen neuen maximal 24-Stunden alten Test aus einem Testzentrum, wenn sie in die Schule zurück kommt, der von letzter Woche zählt leider nicht.
Und für ihren Sohn dann einen Tag später auch.“

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