Mamaaa!!!

Hausfrauen-Fantasie

Meine Fantasie ist unschön gealtert. Früher war sie eine mondäne Weltenbummlerin, eine Femme fatale, die sich jeglicher Konvention entzog. Sie ritt auf einem Elefanten durch den Dschungel, hatte vom vielen Küssen blutrote Lippen und konnte sogar Schiffe rückwärts einparken.
Mittlerweile ist meine Fantasie eine Hausfrau mit flottem Kurzhaarschnitt, Funktionskleidung und Thermomix, die sich ihre Gesichtsbehaarung vor dem Spiegel auszupft.
Zur Zeit tagträume ich zum Beispiel von einem Fensterputzer. Er darf sogar vollständig bekleidet sein. Oder eine Frau. Hauptsache er putzt alle Fenster. Und wenn er schon mal da ist, könnte er auch die Brennnesseln und den Efeu rausreißen, die vom verwilderten Grundstück nebenan rübergewachsen sind. In einem anderen Tagtraum kommt Marie Kondō vorbei und mistet unseren Dachboden aus. Oder ein Wirbelsturm fegt durch das Haus und nimmt das ganze überflüssige Spielzeug der Kinder mit. Oder ich träume davon, dass ich in so ein Superhelden-Regenerationsbad getaucht werde und keine Rückenschmerzen mehr habe. Ich muss der Realität ins Auge sehen: nach einem Jahr Corona, sind meine Tagträume auf dem versiegelten Boden der Tatsachen angekommen.
Wobei das auf Dauer sicher günstiger für meinen Seelenfrieden ist. Meine Fantasie hat nämlich die seltsame Angewohnheit, stets Wirklichkeit zu werden. Ich bin tatsächlich auf einem Elefanten durch den Dschungel geritten. Um dann schwach und fiebrig in einer rattenverseuchten Bambushütte zu stranden. Und ich habe schonmal ein Schiff rückwärts eingeparkt. Weil der Kapitän zu bekifft war und die Bordküche in Brand gesetzt hatte. (Seit ich auf dem Dorf wohne, kann ich aber ehrlich gesagt gar nichts mehr einparken.) Und ich habe mehr Jungs geküsst, als gut für mich war. Und die Jungs. Vielleicht tut es mir und meiner Fantasie also ganz gut, mal eine zeitlang in kleineren Dimensionen zu denken. Wenn sie im Kleinen so gut wie im Großen funktioniert, besteht immerhin noch Hoffnung für meine Fenster.

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